FREDRIK BACKMAN: „EINE GANZ DUMME IDEE“


Ein kläglich scheiternder Banküberfall, eine unvorhergesehene Geiselnahme und als die Polizei die Wohnung stürmt, ist der Geiselnehmer verschwunden. Dazu zwei nur mäßig helle Polizisten und eine Selbstmörderbrücke.
Aus diesen Zutaten hat der schwedische Erfolgsautor Fredrik Backman eine einzigartige Kriminalkomödie geschaffen. Wenn da der Titel „Eine ganz dumme Idee“ heißt, trifft das ganz gewiss nicht auf den Roman selbst zu sondern den Ausgangspunkt dessen, was alles weitere bewirkt.
Dazu stellt der Autor in der etwas zäh geratenen Einleitung klar: „In dieser Geschichte geht es um vieles, aber hauptsächlich um Idioten.“ Idiotisch ist es jedenfalls, eine bargeldlose Bank zu überfallen und dort exakt 6.500 Kronen (ca. 700 Euro!) zu fordern. Rüde abgewiesen und in Panik geraten durch zwei Verkehrspolizisten auf der Straße, flüchtet sich der Räuber ins nächstbeste Mietshaus gleich gegenüber.
Und stürmt in die einzig offen stehende Tür einer Wohnung, in der eine Maklerin soeben sieben Kaufinteressenten das Objekt zeigt. Wobei alle acht Geiseln sehr unterschiedlich auf diese atemlose Person mit Sturmmaske und Pistole reagieren. Die ihnen treuherzig erklärt: „Aber ich hatte einen etwas anstrengenden Tag!“ Wozu sich dieser Tag vor Silvester in der beschaulichen Kleinstadt nun für alle Beteiligten entwickelt.
Wie das geschieht, damit hat es der gewiefte Autor gar nicht so eilig, stattdessen erzählt er herrlich umstandskrämerisch gewissermaßen gradlinig mit Umwegen. Das wirkt wenig zielstrebig und ist durchsetzt mit liebevoll schrägen Details und absurd normalem Verhalten der Protagonisten – und folgt dennoch einer genial durchdachten Dramaturgie.
So werden im Folgenden die Geiseln einzelon vorgestellt und zwar ihren Zeugenvernehmungen. Nach viele Stunden konnte die Polizei nämlich alle unverletzt befreien, man fand einen großen Blutfleck im Wohnzimmer vor und – keinerlei Spur vom Geiselnehmer. Die Zeugenbefragungen aber sorgen nun für unablässige Angriffe auf die Lachmuskeln.
Was jedoch nicht nur an den mal verquer unterbelichteten Dialogen der sehr unterschiedlichen Zeugen liegt. Es sind diese Polizisten Jack und Jim, Vater und Sohn, die ständig miteinander aber auch mit den Zeugen in absurde Wortklaubereien verfallen. Da läuft dann die Bankdirektorin Zara zu besonderer Hochform auf. Die herrische und von der vermeintlichen Lebensgefahr völlig unbeeindruckte Mittfünfzigerin hatte einen eher spleenigen Grund für die Wohnungsbesichtigung.
Und sie nervt in einem Nebenstrang die Psychologin Nadia, indem sie das Binnenverhältnis zwischen Therapeutin und Patient in spitzfindiger Weise auf den Kopf stellt. Hier nun tritt auch die eingangs erwähnte Brücke in eine immer spannendere Rolle und das auch für andere Figuren der Handlung. Mehr kann und darf hier einfach nicht verraten werden, denn das weitere Geschehen offenbart immer neue Schlaufen mit verblüffenden Wendungen und Zusammenhängen.
Um sich schließlich als überaus raffiniert in all seinen Querverbindungen zu erweisen, denn alles hat irgendwie mit allem zu tun und das ganz schlüssig. Dass dieser Roman jedoch mehr ist als nur eine sehr vergnügliche Kriminalkomödie, das liegt an dieser besonderen Meisterschaft Fredrik Backmans, blitzgescheite Satire und viel Witz mit herzerwärmender Tiefgründigkeit zu unterlegen. Fazit: ein würdiger Anwärter auf den Titel als Buch des Jahres.

# Fredrik Backman: Eine ganz dumme Idee (aus dem Schwedischen von Antje Rieck-Blankenburg); 455 Seiten; Goldmann Verlag, München; € 20

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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