PHILIP KERR: METROPOLIS
Der schottische Bestsellerautor Philip Kerr verstarb 2018 mit erst 62 Jahren an Krebs. Das
letzte Buch, das er noch vollenden konnte, war der 14. Roman seiner großen, 1989
begonnenen Bernie-Gunther-Reihe.
Mit Metropolis führt Kerr seinen desillusionierten Ermittler zu seinen
Anfängen zurück. Hatte er in den Vorgängerromanen entlang des Aufstiegs der Nazis bis
hin zu deren Nachkriegstreiben seine kriminalistische Meisterschaft entfaltet, wird er in
diesem Jahr 1928 dank hervorragender Leistungen von der Sitte zur Berliner Mordkommission
am Alexanderplatz versetzt.
Berlin in diesen Jahren brodelt auf dem Höhepunkt der Zwischenkriegszeit.
Gesellschaftlich, kulturell und politisch gilt die Hauptstadt als avantgardistisch, extrem
freizügig und ebenso mondän wie halbseiden. Bei aller Offenheit wabern im Hintergrund
jedoch bereits die Nazis und ziemlich offen zeigt der Antisemitismus seine Fratze.
In dieser Atmosphäre wird Gunther vom Berliner Vize-Polizeipräsidenten Bernhard Weiss
und dem legendären Kripo-Leiter Ernst Gennat (beides historische Persönlichkeiten wie
auch etliche andere Protagonisten) in die Mordkommission übernommen. Ein Serienmörder
treibt sein Unwesen unter den Prostituierten der Metropole. Und weil er seine Opfer
hernach skalpiert, hat er im Nu den zynischen Spitznamen Winnetou weg.
Trotz modernster Methoden kommen die Ermittlungen nicht voran. Richtig aufgewühlt wird
die Stimmung dann aber durch einen weiteren Hurenmord, denn dieses Opfer ist die Tochter
von Erich Angerstein, einer schillernden Größe aus einem der sogenannten Ringvereine,
mächtigen Ganovenkartellen.
Bis die Kripo plötzlich mit einer zweiten, noch rätselhafteren Mordserie konfrontiert
wird: Veteranenmorden. Der Täter erschießt Kriegskrüppel mit einer kleinkalibrigen
Waffe und schreibt Bekennerbriefe an die Presse. Er nennt sich Dr.
Gnadenschuss und rühmt sich damit, Berlins Straßen vom unerfreulichen Anblick
dieser Elendsgestalten, die beim Herumlungern und Betteln allenthalben an die
Kriegsschmach erinnern, zu säubern.
Gunther, der selbst als Frontsoldat viel durchlitten hat, geht schließlich einen
verwegenen Weg der Aufklärung, indem er sich als ein solcher beinamputierter
Kriegsversehrter samt Rollwägelchen tarnt. Ohnehin ist dieser schon damals ebenso
unbeugsame wie unbestechliche Kripomann ein harter Hund und lässt sich auch nicht
politisch vereinnahmen.
Doch dieser Roman lebt nicht nur von den Kriminalfällen allein. Auch das nicht sehr
gemütliche Privatleben zeigt eindrückliche Passagen allein schon in der bescheidenen
Pension, in der er mit drei sehr illustren Typen wohnt. So unter anderem mit dem schwer
unter Kriegstraumata leidenden britischen Schriftsteller Mr. Rankin eine Hommage an
Kerrs Freund und Kollegen Ian Rankin, der sich dafür mit einem warmherzigen Vorwort
revanchierte.
Wie bei allen Bernie-Gunther-Krimis spielen das Lokal- und Zeitkolorit wieder eine
herausragende Rolle. Und noch authentischer wird die gesamte Atmosphäre durch etliche
echte Mitwirkende. Da fungiert der Ermittler dann sogar als Fachberater für Thea von
Harbou, Drehbuchautorin und Ehefrau der Regie-Legende Fritz Lang. Nicht von ungefährt
lautet der Titel dieses Krimis denn auch Metropolis, gemeint ist jener
futuristische Kultfilm aus jenen Jahren.
Die Aufklärung der Mordserien sorgt schließlich für einige Überraschungen und mit
diesem leider letzten Auftritt Bernie Gunters hat man über die Reihe hinweg quasi dessen
gesamtes Leben kennengelernt. Fazit: ein letztes Meisterwerk des großartigen Autors, den
man schmerzlich vermissen wird.
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