RICHARD RUSSO: MITTELALTE
MÄNNER
Auch bei uns ist Richard Russo längst ein bestens renommierter Romancier mit starken
Gesellschaftsromanen. Doch erst jetzt gibt es auch seinen Erfolg von 1997 auf Deutsch.
Unter dem Titel Mittelalte Männer bewegt sich das Geschehen hier
ausnahmsweise in einem reinen Akademikerumfeld.
Der Titel ist gleichwohl Programm und auf diese Art Männer und ihr Sosein versteht sich
der US-Autor ja in immer wieder herzerfrischender Weise. Im Mittelpunkt steht diesmal
William Henry Hank Devereaux Jr, mittelmäßiger Professor am eher
unbedeutenden Railton College in Pennsylvania.
In diesem Jahr fungiert Hank als Vorsitzender der Englisch-Fakultät und während er sich
seit jeher zu viel Ernst des Lebens mit seiner Gabe zu Ironie vom Leibe hält, will ihm
das ausgerechnet jetzt irgendwie nicht gelingen. Seine Fakultät ist von Budgetkürzungen
bedroht und er sitzt zwischen allen Stühlen, obwohl er für diese Probleme ja nichts
kann.
Doch es gibt bekanntlich solche Wochen, in denen sich alles querstellt. Stramm auf die 50
zugehend, gesellt sich zu einer aufkommenden Midlife-Krise auch noch die fatale Äußerung
seines Arztes, dass da eine Asymmetrie an seiner Prostata zu erspüren sei.
Und gerade jetzt rühren sich leise Zweifel an seiner Ehe, ob seine Lily, Leiterin der
städtischen High-School, auf Abwegen wandeln könnte.
Hank hat da gewisse Vorschädigungen durch seinen ungetreuen Vater und die lieblose
Kindheit. Andererseits sollte er sich eigentlich mit seinem bisherigen Familienglück samt
zweier erwachsener Töchter zufrieden schätzen. Stattdessen stolpert er von einem
Missgeschick ins nächste. Und leistet sich auch noch einen Ausrutscher mit Folgen, als er
wegen der Budgetkürzungen vor laufender Fernsehkamera damit droht, bis zur Durchsetzung
seiner Forderungen täglich eine Ente aus dem College-Teich zu töten.
Er war zwar verkleidet und hätte niemals einem Tier etwas zuleide getan, doch irgendwer
setzt diese Drohung nun in die Tat um. Schließlich landet Hank kurz im Knast, hat eine
überaus peinliche Situation auf einer Damentoilette zu durchstehen und obendrein ist sein
bester Freund bis zur Blödigkeit in Lily verliebt und der treulose Vater kehrt als Greis
nach Hause zurück.
Drama? Tragödie? Ganz und gar nicht, vielmehr eine Gesellschaftssatire mit viel
Situationskomik und manch abgründigen Blicken nicht nur in die Situation mittelalter
weißer Männer. Das Alles spielt ja auch noch in der Welt der Akademiker: schlaue Leute
zwar, aber zuweilen mit der Neigung zu einer gewissen Weltfremdheit in praktischen Dingen.
Sogar ein Happyend ist möglich, obwohl sich Hanks Pinkelproblem wie ein Roter (?) Faden
durch diesen opulenten geistreichen Roman mit all seiner Selbstbeschau und Zweifeln an
Selbstverständlichkeiten zieht.
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