C PAM ZHANG: WIE VIEL VON
DIESEN HÜGELN IST GOLD
Die Geschichte des Wilden Westens der USA ist reich vertreten in Literatur und Film und
dort tummeln sich Indianer, weiße Siedler, Kavallerie und vereinzelt sogar ein paar
Schwarze. Fast unbeachtet geblieben sind dagegen die durchaus nicht kleinen Scharen
chinesischer Einwanderer.
Die in Peking geborene, aber schon lange in den USA lebende C Pam Zhang hat nun als ebenso
verwegenes wie bereits umjubeltes Debüt einen Western-Roman vorgelegt, in dem eben solche
Menschen im Mittelpunkt stehen. Wie viel von diesen Hügeln ist Gold lautet
der Titel, der in die Zeit um und kurz nach dem ersten Goldrausch Mitte des 19.
Jahrhunderts nach Kalifornien führt.
Unübersehbar prangt vor dem ersten Kapitel das Motto dieses Romans: This is not
your Land in Umkehrung der berühmten Woodie-Guthrie-Hymne. Es beginnt mit Sam,
eigentlich Samantha und 12 Jahre alt, und ihrer ein Jahr jüngeren Schwester Lucy, die vor
einem gewaltigen Problem stehen. Ihr Vater Ba ist soeben gestorben und selbstverständlich
soll er nach chinesischem Ritual bestattet werden. Dazu aber gehören vor allem zwei
Silbermünzen zum Abdecken seiner Augen.
Die beiden Waisen sind jedoch absoilute Habenichtse, denn ihr Vater war zuletzt
Tagelöhner und nach dem Tod der Mutter der Mädchen vor einigen Jahren außerdem dem
Alkohol verfallen. Woher also die Münzen nehmen und wo ist ein angemessener
Begräbnisplatz? In ihrer Not stecken sie den Leichnam in eine Holzkiste und klauen ein
Pferd für deren Transport. Was zu einem skurrilen Überfall führt, der ihnen sogar die
Silbermünzen beschert.
Doch ihr Zug durch die Prärie unter sengender Sonne wird elendig mit der langsam
verrottenden Leiche im Schlepp. Erschwert wird ihre Suche nach einer Heimat nicht
nur für das Grab sondern auch für ihr weiteres Leben durch ihre bloße Herkunft.
Unübersehbar asiatisch, begegnet ihnen der allgegenwärtige Rassismus der weißen Siedler
nicht minder ungnädig und gemein wie allen anderen Nichtweißen.
Es wird ein Marsch durch die Hölle, auf dem sich die burschikose Sam schließlich aus
triftigen Gründen als Junge verkleidet. Wie die zarter besaitete Lucy trägt Sam ein
unsichtbares Gewicht von Verlust, Trauer und schwindender Hoffnung mit sich. Aber auch im
zweiten Teil des Romans, der drei Jahre zurückführt, herrscht keine leichtere Stimmung.
Und das, obwohl hier Vater Ba, der ebenso naiv wie verbissen an seine Chance als
Goldsucher glaubt, sogar einen Glücksgriff tut.
Aber sie sind Chinesen, stehen in dieser physisch wie moralisch extrem rauen Zeit am Ende
der sozialen Kette. Da werden sie nicht nur gemobbt, gedemütigt und ausgebeutet
die gierigen weißen Siedler verstehen es obendrein, ihnen selbst das Recht aus ihr
gefundenes Gold streitig zu machen. Zugleich ziehen Hader und Desillusionierung auch in
die Familie ein und später werden die Mädchen entdecken, wie viele Lügen und
Geheimnisse ihnen die Eltern hinterlassen haben.
Dann aber kommt in einem weiteren von vielen gelungenen Kunstgriffen Vater Ba zu Worte und
stellt viele bisherige Erkenntnisse in ein überraschend neues Licht. Gegen Ende des
packenden Romans kehrt das Geschehen zu den inzwischen erwachsen gewordenen Kindern
zurück, ein Happyend aber bleibt auch weiterhin kaum denkbar.
Ein Western? Ja, jedoch ohne jede Glorifizierung und mit um so mehr Raum für die
Realität mit hemmungsloser Gier, mit skrupelloser Ausbeutung asiatischer und anderer
Arbeitssklaven, mit Anklängen von Völkermord an den Ureinwohnern. This is not your
Land - jedenfalls nicht für all diejenigen, die als nicht dazugehörig galten.
Fazit: ein grandios erzählter Hammer von einem Debütroman.
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