POLLY SAMSON: „SOMMER DER TRÄUMER“


Als die 18-jährige Erikca ihre Mutter verliert, kann sie ihre Trauer kaum bewältigen. Um so hilfreicher ist es da, dass sie und ihr Bruder Bobby sowie Freund Jimmy und ein paar andere sich von der kleinen Erbschaft einen griechischen Inselsommer leisten können.
Durch Mutters Freundin, die Schriftstellerin Charmian Clift, gelangen sie so auf die kleine Insel Hydra, rund 65 Kilometer südöstlich von Athen gelegen und damals sehr beliebt bei Künstlern. Man schreibt das Jahr 1960 und das Bohème-Leben der ständig wechselnden Gäste verstößt ziemlich regelmäßig gegen jegliche griechischen Anstandsregeln.
Doch was Polly Samson dann in ihrem mittlerweile dritten Roman unter dem Titel „sommer der Träumer“ ausbreitet, beginnt zunächst mit ausführlichen Schilderungen der idyllischen aber auch kargen Insel. Noch heute ist die autofrei, doch seinerzeit gab es noch nicht einmal Elektrizität. Wenn sich Ich-Erzählerin Erica dann jedoch den Menschen widmet, sind dies zahlreiche ganz reale Personen.
Allen voran die als Inselkönigin apostrophierte Charmian mit ihrem Schriftstellergatten George Henry Johnston sowie dem norwegischen Paar Axel Jensen und Marianne Ihlen samt Baby. Viele wechselnde Beziehungen, Alkohol, Grogen und Freizügigkeit auch hinsichtlich der Badebekleidung sind an der Tagesordnung. Überall knistert es und nicht immer bleibt es dabei friedlich.
Die besonders lebenshungrige Charmian wie auch ihr Gatte sorgen für manchen boshaften Klatsch, während insgesamt von Emanzipation bei den Frauen nicht ein hauch zu spüren ist. Worunter besonders Marianne wegen ihres umtriebigen Partners zu leiden hat. Bis der legendärste aller Langzeitgäste auf die Insel kommt: Leonard Cohen.
Der kanadische Dichter, der im Verlaufe seiner Jahre hier unter anderem zwei Bücher schrieb, tröstete Marianne so intensiv, dass die Beiden ein Liebespaar wurden. Und sie inspirierte den späteren Kultstar zu den unvergesslichen Songs „So long, Marianne“ und „Bird on the Wire“. All die alltäglichen Begebenheiten begleitet Erica als zurückhaltende Beobachterin, wenngleich es recht ereignisarme Tage sind.
Mit Polly Samson schreibt hier eine Autorin, die nicht zuletzt als Ehefrau von Pink-Floyd-Guru David Gilmour – und Autorin etliche Songtexte der Band – ein ausgeprägtes Feeling für ein solches Konglomerat überwiegend kreativer Menschen und ihre Verhaltensweisen hat. Zwischenmenschliches steht im Vordergrund – aber mit einer Rollenverteilung eben typisch für jene Zeit – und man scheint über allem diese sonnengetränkte legere Atmosphäre zu spüren.
Man mache sich gewärtig, dass viele der Akteure keine Erfindungen sind und vieles von ihrem Handeln konkret belegt ist. Andererseits bereitet dieser Roman ohne eine nennenswerte Handlung einfach nur ein geradezu faules Sommerlesevergnügen.

# Polly Samson: Sommer der Träumer (aus dem Englischen von Bernhard Robben); 382 Seiten; Ullstein Verlag, Berlin; € 20

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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