CHRIS WHITAKER: VON HIER BIS
ZUM ANFANG
Von hier aus bis zum Anfang ist Chris Whitakers vierter Roman, jedoch der
erste des englischen Erfolgsautors, der nun auch auf Deutsch vorliegt. Der Schauplatz ist
allerdings kein britischer sondern Cape Haven, ein Städtchen an der kalifornischen
Küste.
Im Prolog wird die siebenjährige Sissy Radley vermisst. Die 15-jährigen Freunde Walk und
Vincent gehören zur Suchmannschaft. Und sie finden in jener Nacht die Leiche der
ermordeten Kleinen. Ein Ereignis mit Folgen für alle Beteiligten, die sich nun über 30
Jahre schicksalhaft hinziehen. Vincent wurde damals als Täter überführt und verurteilt.
Während Walk Politist wurde und im Ort blieb, zerbrach die Familie Radley. Der Vater zog
von dannen und Sissys ältere Schwester Star bis dahin Vincents Freundin
leidet seither unter Depressionen. Und ist nicht nur eine haltlose Säuferin, die sich in
Kneipen als drittklassige Sängerin mit ebensolchen Kerlen einlässt. Vor allem aber
versagt sie als Mutter der 13-jährigen Duchess und des kleinen Robin.
Der mittlerweile verfetteten, medikamentenabhängige Walk kümmert sich ein wenig um die
dysfunktionale Familie. In der die immer rabiater werdende Duchess allerdings die Hosen
anhat. Und in diese Situation kehrt nach nunmehr 30 Jahren nach Abbüßung seiner
Freiheitsstrafe Vincent King zurück und reißt sofort alte, ohnehin nie ganz verheilte
Wunden wieder auf.
Was sich jetzt entwickelt, wird mal aus der Perspektive des gutmütigen aber durchaus
hellsichtigen Walk, mal aus der des vor allgemeiner Wut schier berstenden Teenagers
erzählt. Wobei dieses hartgesottene Mädchen, das viel zu früh erwachsen werden musste,
dann den absoluten Tiefschlag erleben muss.
Als sie mühsam ein paar Kleinigkeiten erstanden hat, um ihrem geliebten Bruder Robin eine
kleine Freude zum sechsten Geburtstag zu bescheren, findet sie zuhause ein Polizeiausgebot
vor: ihre Mutter liegt erschossen im Wohnzimmer und der zutiefst traumatisierte Robin wird
aus dem Schrank am Tatort befreit.
Natürlich scheint klar zu sein, dass der heimgekehrte Mörder Vincent erneut zugeschlagen
hat. Während Duchess auf ultimative Rache sinnt und für das Polizeiaufgebot alles klar
ist, bleibt Walk von Vincents Unschuld überzeugt. Man hat ihm jedoch die Zuständigkeit
entzogen, dabei erfährt er doch, dass bei Vincent weder die Waffe noch Schmauchspuren
gefunden wurden. Damit verlagert sich der Roman zum Einen ins ferne Montana, wo Duchess
und Robin beim Großvater unterkommen. Andererseits entwickelt sich nun ein regelrechter
Gerichtskrimi.
Dem Schicksal entkommt niemand hier, doch was da mit rauer emotionaler Wucht erzählt
wird, ist ohnehin trotz aller Krimi-Elemente eher eine lebenspralle Familientragödie mit
vielen Wendungen. Mit ungeschönter Sprache und hervorragenden Charakterzeichnungen bietet
Von hier bis zum Anfang bis zuletzt ein fesselndes tiefgründiges Leseerlebnis
von herber Qualität.
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