STEPHEN KING: SPÄTER
Für Horror verbunden mit sonderbegabten Kindern hatte Stephen King von jeher ein
besonderes Faible. Mit seinem jüngsten Roman unter dem Titel Später frönt
der Altmeister diesem Muster einmal mehr.
Ich-Erzähler ist der mittlerweile 22-jährige Jamie Conklin, der allerdings mit sechs
Jahren zu berichten beginnt. Und dies auch durchaus auf entsprechend kindlich-altkluge
weise. Doch gerade diese Attitüde in Verbindung mit einem herben Sarkasmus gibt dieser
Prosa den besonderen Clou.
Wobei dieser Jamie ein weitgehend normales Kind ist, das mit seiner alleinerziehenden
Mutter Tia in gehobenen New Yorker Verhältnissen lebt. Normal bis auf eine besondere
Fähigkeit, von dessen Geheimnis nur Tia weiß: Jamie kann Tote sehen und zumindest in den
ersten Stunden nach ihrem Ableben auch noch reden. Und sie müssen dann jede seiner Fragen
wahrheitsgemäß beantworten.
Da die soeben Verstorbenen nicht immer appetitlich aussehen, wird das zuweilen durchaus zu
einer Belastung für den Jungen. Der im Übrigen schon früh betont, dass es sich wohl um
eine Horrorstory handle. Was sich später noch herausstellen werde und dieses immer
wieder aufkommende später nutzt King als Erwartungskitzel. Wobei der Roman
ohnehin von Beginn an eine hohe Sogwirkung entwickelt.
Trotz der Begleitumstände kann Jamie die Kindertage mit seiner liebevollen Mutter sehr
genießen. Obwohl sie als Literaturagentin einen ebenso lukrativen wie anstrengenden Job
hat. 2008 jedoch, Jamie erzählt inzwischen aus der Sicht eines Neunjährigen, setzt der
Abstieg ein. Tia hat riskant investiert und die Finanzkrise schlägt auch bei ihr durch.
Und dann stirbt auch noch ganz plötzlich ihr Kronjuwel Regis Thomas.
Seine Schundromane verkauften sich bestens und Serienband 9 stand vor der Vollendeung. Und
erstmals spannt Tia den Jungen mit seiner besonderen Gabe ein: er horcht des oeben
vervlichenen Schriftsteller aus und sie vollendet mit dem wahrheitsgemäß Berichteten den
Roman. Mit großem Erfolg, von dessen Geheimnis allerdings auch ihre Liebhaberin Liz jetzt
weiß. Und die nutzt Jamies Gabe nun skrupellos für ihre Karriere als Kriminalbeamtin
aus.
Für Jamie wird es zunehmend unangenehmer, zumal er bald auch sehr üble Typen die
Wahrheit nach dem Hinscheiden abquetschen soll. Wobei er schließlkich auch auf den
Schurken Therriault trifft, der aber nicht nach Stunden oder Tagen entschwindet sondern
als Wiedergänger nun wirklich Gänsehaut verbreitet. Und zum Finale hin wird es
endgültig furios mit gruseligen Elementen.
Fazit: für Stephen King-Verhältnisse mit 304 Seiten eher eine Art Zwischenmahlzeit, die
aber sind in vorzüglicher Weise mit hervorragenden Charakterzeichnungen und dichter
Atmosphäre aufbereitet. Nicht unbedingt ein Meisterwerk mit seiner teils recht
schnoddrigen Alltagssprache, gleichwohl ein rundum stimmiges großes Lesevergnügen.
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