NATHANIEL RICH: „KING ZENO“


„King Zeno“ heißt der jüngste Roman von US-Autor Nathaniel Rich. Doch wenn er mitten hinein in eine Pandemie und einen harten Lockdown für ganz New Orleans führt, so muss betont werden, dass dieser historische Krimi im Original bereits vor der Corona-Krise veröffentlicht wurde.
Eine echte Pandemie herrscht hier gleichwohl, denn schon im September 1918 fordert die per Schiff eingeschleppte Spanische Grippe in der Großstadt die ersten Menschenleben. Bereits im November zählt man 350.000 Erkrankte in Louisiana. Diese Fakten eröffnen die Geschichte mit echten Zeitungsberichten. Am Anfang jedoch und auch weiterhin beunruhigen andere – ebenfalls historisch belegte – Meldungen die Bevölkerung der Metropole ungleich mehr: ein Axtmörder schlachtet reihenweise harmlose Bürger ab.
Doch auch sonst brodelt die Stadt als wahrer ungesunder Hexenkessel. Und das zum erheblichen Teil im Wortsinne, denn im Juni 1918 hat der Bau des Industrial Canals begonnen. Rund 9 Kilometer durch schwierigen schwammigen Untergrund soll dieser Wasserweg der Schifffahrt zwischen dem Mississippi und dem Lake Pontchartrain dienen. Heute würde man es ökologischen Irrsinn nennen, damals war es eine Horroraufgabe, die viele Arbeiter Gesundheit und Leben kostete.
Einer von ihnen ist Isadore, ein schwarzer Kleinkrimineller, der endlich auf ehrliche Weise den Lebensunterhalt für seine Familie verdienen will. Nächtens aber frönt er einer grassierenden Leidenschaft, da wird er als „Izzy Zeno“ zum umjubelten King Zeno als Jazzmusiker auf dem Kornett. Manchen gilt der Jazz als Satansmusik, doch wird gewissermaßen zur Seele New Orleans.
Ganz andere Sorgen hat Bill Bastrop als Hauptermittler in Sachen Axtmörder. Eben als Kriegsheimkehrer wieder im Polizeidienst, hat er nicht nur mit Eheproblemen sondern auch mit Traumata aus dem Krieg zu kämpfen. Da verfolgen ihn nicht nur Geister der Vergangenheit sondern auch ganz konkret einstige Kameraden, die er angeblich im Stich gelassen hat.
Und während die Stadt einen doppelten Alptraum durchlebt, hat Beatrice Vizzinini ganz andere Befürchtungen. Rüde hat sich die aus Italien stammende Mafia-Patin an die Spitze gearbeitet und mit brachialen Erpressungsmethoden auch den Weg zum lukrativen Kanalbau für sich geebnet. Nun aber ahnt sie Böses für sich durch ihren ebenso skrupellosen aber noch gewalttätigeren Sohn.
Rasant treibt Nathaniel Rich das wild verflochtene Geschehen voran und das immer wieder mit Passagen, so fiebrig und ekstatisch wie der über dem schweißtreibenden Klima liegende Jazz. Zeit- und Lokalkolorit sind auf faszinierende Weise ebenbürtig mit den gediegenen Charakteren und natürlich ist das Alles absolut filmreif. Und was den Kanalbau angeht – seine ganze Unseligkeit wurde endgültig im Jahr 2005 bei den katastrophalen Folgen durch Hurricane „Katrina“ offenbart.
Fazit: ein bravouröser Kriminalroman auf hohem Niveau vor realem Hintergrund. Allerdings wegen mancher Härten und Ekligkeiten nichts für Zartbesaitete.

# Nathaniel Rich: King Zeno (aus dem Amerikanischen von Henning Ahrens); 447 Seiten; Rowohlt Verlag, Berlin; € 24

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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