MICHAEL CHRISTIE: „DAS FLÜSTERN DER BÄUME“

 
2028 fegte das „Große Welken“ um den Erdball und raffte die Wälder dahin. Nun im Jahr 2038 arbeitet Jacinda Greenwood auf einer kleinen kanadischen Insel als #Führerin durch die letzten 57 Quadratkilometer Primärwald, die es noch gibt.
Das ist der Einstieg zu Michael Christies ungewöhnlichem Roman „Das Flüstern der Bäume“. Eigentlich ist Jacinda, die allgemein nur Jake genannt wird, Dendrologin und somit eine Bäume spezialisierte Botanikerin. Doch die Zeiten sind allgemein so schlecht, dass sie froh mit diesem Job sein muss und soeben damit über die Runden kommt.
Doch der erneut preisgekrönte kanadische Autor erzählt die folgende Geschichte auf ganz besondere Weise. Der vorgeschalteten Illustration eines Baumquerschnitts und dessen Jahresringen folgend, führt das Geschehen über Zeitsprünge bis ins Jahr 1908 zurück. Bald nach dem Einstieg überbringt ein Ex-Partner der jungen Frau ein Dokument über die ihre unbekannte Familiengeschichte und das Tagebuch ihrer ebenso fremden Großmutter.
Als erstes wird ihr klar, dass es kein Zufall ist, dass sie wie die Insel Greenwood heißt, denn ihr Urgroßvater hatte sie nach der Großen Depression 1934 erworben. Dessen Tochter Willow wiederum war eine Öko-Aktivistin aus den 70er Jahren mit einem bewegten Leben. Noch weiter zurück aber erfährt der Leser von Urgoßvater Harris Greenwood, der 1908 gemeinsam mit Everett als Bruder adoptiert wurde.
So wenig sie biologisch miteinander verwandt waren, so krass unterschieden sich der spätere Holzbaron Harris vom Taugenichts Everett, der nach kriminellen Eskapaden sein Leben als Einsiedler und Ahornsirupsammler im Wald fristete. Hier hinein aber spielt dann auch das entführte Mädchen der verstorbenen Geliebten eines Unetrnehmers, das später zur glühenden Umweltaktivistin werden sollte. Und dies dann natürlich ebenfalls unter dem Namen Greenwood.
Der weit gezogene Spannungsbogen geht dabei zunächst in Generationensprüngen bis zu 130 Jahre in die Vergangenheit, um schließlich wieder bis zum Eisntiegsjahr 2038 anzusteigen. Jedes der Kapitel hat seine eiegene Erzählweise, doch die jeweils gewaltigen Schicksale der zentralen Figuren fesseln mit ihren glaubhaften Charakteren und den Ereignissen, denen sie unterliegen oder denen sie ihren Stempel aufdrücken.
Es ist ein anspruchsvoller Reigen, dessen Handlungsstränge konsequent zusammenlaufen, denn Alles ist hier mit Allem verknüpft. Und dennoch sind die Figuren dieses Mehrgenerationsepos ohne eines nicht denkbar: ohne die unentrinnbare Bedeutung der Bäume für jeden der Greenwoods. Dabei erzählt der gesamte, hinreißend erzählte Roman in beklemmenden Schilderungen von einer Dystopie der Umwelt unseres Planeten, die auf erschreckende Weise realistisch ist.
Fazit: ein komplexes Stück Literatur von höchsten Graden und zugleich ein Umweltschutz-Menetekel sondergleichen.

# Michael Christie: Das Flüstern der Bäume (aus dem Englischen von Stephan Kleiner); 557 Seiten; Penguin Verlag, München; € 22

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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