CLARE CLARK: „IM GLEIßENDEN LICHT DER SONNE“


Schon früh gab es Fälschungen von van Gogh-Gemälden, begünstigt auch dadurch, dass es keine ordentliche Katalogisierung gab. Der größte Skandal ereignete sich in den 20er Jahren, ist aber kaum noch präsent, zumal sein Abschluss durch ein Gerichtsurteil in die Zeit von Hitlers Machtergreifung fiel.
Die englische Erfolgsautorin Clare Clark hat den Kunstkrimi von damals nun unter dem Titel „Im gleißenden Licht der Sonne“ zu einem literarischen Leckerbissen vor allem für Kunstfreunde gemacht. Damals war es der Tänzer Otto Wacker, der sich als fleißiger Händler von Werken des überaus produktiven Niederländers zunächst eine goldene Nase verdiente.
Der Maler war en vogue und vor allem fand der umtriebige Wacker in dem Kunstkritiker Julius Meir-Graefe einen renommierten Experten, der die Echtheit bescheinigte. Als die Fälschungen aufflogen, wurde Wacker verhaftet und auch verurteilt. Wobei dann jedoch aus mysteriösen Gründen einige der inkriminierten Werke doch wieder für echt erklärt wurden.
Clare Clark setzt Julius Köhler-Schultz an den Anfang – unschwer als Pendant zum echten Kunstkritiker zu erkennen. Dem Herrn in den besten Jahren ist soeben, man schreibt das Jahr 1923, die viel jüngere Gattin entfleucht. Wobei ihn am härtesten trifft, dass sie seinen van Gogh mitgenommen hat, offenbar als Pfand für eine günstige Scheidung.
Um so offener ist der Verlassene, der sogar einen deutlichen Erfolg mit einer Biografie über van Gogh erzielte, als er Matthias Rachmann kennenlernt. Schnell entwickelt sich eine Freundschaft zwischen dem wohlhabenden Kunstliebhaber und dem jungen Mann, der sich auch als Tänzer in der legendären wilden Szene Berlins einen Namen macht.
Ein Liebling der Kunstszene aber wird er einige Jahre später, als er eine ganze Sammlung van Goghs auf den Markt bringt. Die Begeisterung ist groß, bis erste Zweifel aufkommen, ob alle Echtheitszertifikate halten, was sie versprechen. Und wenn es wirklich Fälschungen wären, aus wessen kunstfertigen Händen kämen sie wohl?
Hier nun kommt Emmeline ins Spiel, die ab 1927 ihre eigene Geschichte erzählt. Mag sie auch genug Talent für die Kunstakademie haben – wer kauft schon hochkarätige Malerei aus den Händen einer jungen unbekannten Frau? Abschließend kommt Frank Beszacki zu Wort, der als Rechtsanwalt mit dem Kunstskandal befasst ist und doch zur Zeit des Prozesses als Jude bereits vor dem Abgrund steht.
Die Nazis ergreifen die Macht und das bedeutet auch für die wilden 20er Jahre und die ungehemmte Szene samt ihren Huren, Tänzern, Koksen und sexuellen Grenzgängern ebenso das Ende wie für etwas so nebensächliches wie diesen Kunstskandal. Hier aber lebt diese überschäumende kurze Epoche noch einmal auf und das eigentlich Faszinosum dieses recht unaufgeregt erzählten Romans sind das Zeit- und Lokalkolorit und der intime Blick in die verrückte Kunstszene jener Zeit.

# Clare Clark: Im gleißenden Licht der Sonne (aus dem Englischen Bernhard Jendricke und Christa Prummer-Lehmar); 522 Seiten; Atlantik Verlag, Hamburg; € 24

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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