AYAD AKHTAR: „HOMELAND ELEGIEN“


Einen außergewöhnlichen quasi-autobiografischen Roman hat Ayad Akhtar mit den „Homeland Elegien“ verfasst. Mit einer meisterhaft angelegten Mischung aus Memoiren und Fiktion zeichnet der in den USA geborene Sohn pakistanischer Einwanderer eine höchst gesellschaftskritische Chronologie der letzten Jahrzehnte in seinem Heimatland nach.
Es gilt einige Fakten voranzustellen, die Akhtars Ansatz noch schärfer betonen. So ist er weder gläubig noch ein praktizierender Muslim. Andererseits trgät er als Dramatiker bereits einen großen Namen und erhielt für sein weltweit gespieltes Stück „Disgrace“ den Pulitzer-Theaterpreis 2012. Während er seinen anfangs mühsamen Karriereweg ebenso schonungslos offenlegt wie den ein oder anderen Fehlgriff im Lebensweg, gelingt ihm ein wuchtiger Einstieg mit keinem Geringeren als Donald Trump.
Der Vater des Ich-Erzählers ist ein hingebungsvoll amerikanisch-kapitalistisch gewordener Arzt und wird 1993 zu einem Patienten gerufen, der womöäglich an einer Herzkrankheit leidet, für die Dr. Sikander Akhtar Spezialist ist. Der Immobilienmogul hat ökonomisch schweren Schiffbruch erlitten und den Scheidungskrieg mit Ivana hinter sich und bangt mit 47 um sein Leben. Und der Autor führt eine Anekdote ein, die schier unglaublich erscheint und doch wahr sein soll: Trump entschuldigt sich für eine typische Ungezogenheit.
Mehrere Jahre lebt der Patient in der Ungewissheit, ob er unter dem heimtückischen Buraga-Syndrom leidet. Was für diese Zeit zu einer solch freundschaftlichen Beziehung sorgt, dass Trump dem Arzt sogar eines seiner bevorzugten Callgirls vermittelt. Woraus eine 15 Jahre dauernde Liaison mit dieser Caroline erwächst, die die einzige Frau neben der Mutter des Autors bleibt. Woraus sogar eine Halbschwester für Ayad entsteht.
Was zu einer besonders herben Geschichte in den vielen Episoden immer ganz nah entlang den konkreten Ereignissen führt, denn diese junge Frau arbeitet als Tänzerin in einem Striplokal. Als Ayad dort einkehrt, schleppt sie ihn später mit zu sich nach Hause. Wo es dann nur deshalb nicht zur Blutschande kommt, weil er in ihrer Wohnung ein Bild seines Vaters entdeckt. Ohnehin spielt dieser Vater eine gewichtige Rolle in diesen „Klagegedichten“, denn er jagt mit blindem Eifer dem kapitalistischen Traum so vieler Amerikaner nach. Mangels Geschäftssinn vernichtet er dabei mehrfach ein Vermögen.
So wogt diese Autofiktion als Gesellschaftsroman mit Röntgenblick durch ein Land, das immer tiefer gespalten ist. Doch nicht erst die Trump-Jahre offenbaren die Zerrissenheit dieser Nation, die aus Immigranten entstand und die heutigen besonders krass ausgrenzt. Da wird ein Geständnis Akhtars gegenüber einer Geliebten, die wie er einen Migrationshintergrund hat und doch auf sehr amerikanische Weise mit ihm umspringt, zu einem besonderen unter den zahlreichen Höhepunkten.
Die jüngsten Zersetzungen sind nämlich nicht ganz so neu, wie sein Erleben am 11. September 2001 zeigt. Unübersehbar fernöstlicher Herkunft, kann er sich nach bedrohlichen Anfeindungen inmitten des Chaos in Manhattan nur noch vor körperlichen Angriffen retten, indem er sich ein geklautes Kreuz um den Hals hängt. - Auch wenn offen bleibt, wie wahr diese Episode ist, ob sein Vater tatsächlich solch ein Sünder und Chaot war und es die Halbschwester gab: Ayad Akhtar erweist sich als faszinierender Erzähler und sein persönlicher Hintergrund eröffnet ihm und damit auch dem Leser den etwas anderen Blick auf das Sosein des Landes, das seit 50 Jahren sein Heimatland ist.

# Ayad Akhtar: Homeland Elegien (aus dem Amerikanischen von Dirk van Gunsteren); 461 Seiten; Claassen Verlag, Berlin; € 24

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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