KEVIN BARRY: BEATLEBONE
Der vielfach preisgekrönte irische Schriftsteller Kevin Barry widmete sich 2015 einem der
größten Genies der Rock-Musikgeschichte, John Lennon. Erst jetzt liegt der dabei
entstandene außergewöhnliche Roman unter dem Titel Beatlebone auch auf
Deutsch vor.
Wenn das erste Kapitel mit John verreist, getrieben vom Motor der Melancholie
1978 überschrieben ist, deutet das auf eine biografische Geschichte hin aus jener
Lebensphase, als er jahrelang mit seinen inneren Dämonen rang. Beatles-Kenner wissen, wie
getrieben Lennon zu der Zeit war, und dass erst 1980 die Wiederfindung sowohl seiner
Verbindung mit Yoko Ono wie auch seiner musikalischen Genietaten gelang.
Hier aber bewegt sich der Autor nur bedingt auf realem Boden. Lennon will in großer
Einsamkeit wieder zu sich selbst finden und die sucht er auf der winzigen kargen
Felseninsel Dorinish an der Nordwestküste Irlands. Das Eiland existiert nicht nur
wirklich, es gehörte John Lennon sogar. 1967 hatte er es für ganze 1550 Pfund Sterling
ersteigert und er war tatsächlich auch zweimal dort: 1967 mit Ehefrau Cynthia und 1968
mit seiner großen Liebe Yoko jeweils für wenige Stunden.
Überliefert ist auch die Urschreitherapie, die Lennon beim Psychologen Arthur Janov
absolviert hat. Und genau die will er auf dem Eiland praktizieren, seine schwere Sinnkrise
angesichts des nicht mehr fernen 40. Geburtstags ausloten. Der Weg nach Dorinish wird zu
einer Art Odyssee und immer dabei ist der Einheimische Cornelius O'Grady. Der schirmt die
Pop-Ikone ab und bringt ihn sicherheitshalber bei sich privat unter. Vor allem aber
fungiert er als Chauffeur und Katalysator in den endlosen knorrigen Gesprächen. Bei denen
er zunächst nach den Dingen fragt, die Lennon auf seinem Psychotrip angehen will.
Liebe, Blut, Schicksal, Tod, Sex, das Nichts, Mutter, Vater,... bringt der
Gepeinigte vor. Cornelius aber mit seiner sehr tiefen, einschmeichelnden Stimme kitzelt
geradezu mephistophelisch all die brodelnde Galle aus John heraus. Die sturmumtoste
schroffe Küstenlandschaft, der stoische O'Grady und Lennon als blasser, wacher,
kreideweiße Komödiant, die wehen Knochen, das Alter. Kein Friede, kein Schlaf, kein
Lebenssinn.
Wie ein fiebriger Traum entfaltet sich dieser exaltierte Seelentrip des Ex-Beatles zur
gnadenlosen Selbstanalyse. Kevin Barry hat Lennon sehr intensiv studiert und ist ganz nah
bei ihm, so dass diese kleine Odyssee ihn absolut glaubhaft darstellt. Dabei überzeugt
der Autor als Sprachberserker in grandiosen Dialogen. Oft grob und mit viel Gossensprache,
fasziniert dann wieder eine geradezu surreale Poesie.
In einem Kapitel, in dem der Autor Inspiration und Entstehung dieses Romans schildert,
erfahren wir auch vom Beatlebone-Projekt. Offenbar als musikalisches
Experiment der Avantgarde geplant, wurde es nie realisiert und eventuelle Aufnahmebänder
gingen verloren. Avantgarde aber prägt auch dieses spektakuläre, mal tiefgründig bis
bizarre und dann wieder bärbeißig witzige Stück Literatur.
Fazit: Sicher nicht für den normalen Konsumenten geeignet, für Liebhaber des Besonderen
jedoch ein herber Leckerbissen.
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