TELMO PIEVANI/VALÈRY ZEITOUN: „HOMO SAPIENS“


Woher kommt der moderne Mensch und was machte seine weltweite Ausbreitung möglich? Diese Fragen finden höchst spannende Antworten in dem großvolumigen Buch „Homo Sapiens. Der große Atlas der Menschheit“.
Mit dem italienischen Evolutionsforscher Telmo Pievani und dem französischen Paläoanthropologen Valéry Zeitoun haben sich dazu zwei exzellente Experten zusammengetan. Chronologisch schreiten sie die faszinierende Entwicklung von frühen menschenähnlichen Wesen bis zum neuzeitlich Menschen ab und Kapitel 1 „Die Anfänge der Hominiden und der Beginn ihrer Ausbreitung“ setzt vor 130.000 Jahren ein.
Die Urform der Gattung Homo verorten die Wissenschaftler allerdings bereits vor ca. drei Millionen Jahren. Deren vielfältige Arten brachten schließlich den ursprünglichen Homo Sapiens hervor, der sich dann von Afrika aus verbreitete. Doch er war durchaus nicht allein, es gab sogar eine bemerkenswerte Vielfalt. So lebten unter anderem der Neandertaler und der Homo Sapiens über geraume Zeit nebeneinander.
Einige der vielen hervorragenden Grafiken zeichnen den weitverzweigten Stammbaum der Hominiden nach. Und auch Bilder wie das des „Turkana-Jungen“: ein Sensationsfund
zeigt sein etwa 1,6 Millionen Jahre altes Skelett, und dieser „Homo Ergaster“ lässt in der Rekonstruktion eine erstaunliche Ähnlichkeit mit dem späteren Homo Sapiens erkennen. Einzigartiges Kartenmaterial offenbart zudem die Verbreitung nicht nur des modernen Menschen sondern auch Details wie Sprache und andere Kulturmerkmale.
Eben seine hohe Anpassungs- und Lernfähigkeit sind entscheidend für das Erfolgsprinzip des modernen Menschen. Ein entscheidender Schritt wird da die Entwicklung des symbolischen Denkens und schließlich der ganz große Sprung nach vorn in der sogenannten Jungsteinzeit. Das Kapitel hierzu ist mit „Die neolithische Revolution und die weltweite Ausbreitung des Menschen überschrieben.
Der Homo sapiens lernt, in die Natur einzugreifen und beginnt mit Ackerbau und Viehzucht. Sprache, Kunst und Schrift bilden sich aus. Und so wie diese Erkenntnisse aus der linguistischen, genetischen und paläoanthropologischen Forschung hier plastisch mit brillanten Grafiken und Kartenmaterial dargestellt werden, ergeben sich beeindruckende anschauliche Gesamteindrücke.
Es ist diese interdisziplinäre Herangehensweise mit Paläoanthropologie, Geschichte, Genetik und Geografie, die diesen Atlas so einzigartig machen. Hier fehlt auch nicht die Wechselwirkung mit folgenreichen Phänomenen wie Eiszeiten, Erdbeben oder Vulkanausbrüchen. Und quasi als Nebenprodukt all dieser Forschung konstatieren die Wissenschaftler, dass der Begriff der menschlichen Rasse eine bloße Fiktion ist: „Unter der Haut sind wir alle eng miteinander verwandt.“
Fazit: ein außergewöhnliches wissenschaftliches Werk auch für interessierte Laien und in seiner Art wohl das Nonplusultra zum Thema Menschheitsgeschichte.

# Telmo Pievani/Valéry Zeitoun: Homo sapiens. Der große Atlas der Menschheit (aus dem Französischen von Renate Heckendorf); 208 Seiten, div. Abb., Supergroßformat; wbgTHEISS Verlag, Darmstadt; € 50

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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