HENRIETTE ROOSENBURG: „MORGEN WARTET EINE NEUE WELT“


1957 veröffentlichte die als Journalistin in den USA arbeitende Henriette „Zip“ Roosenburg (1916-1972) die Geschichte ihres abenteuerlichen Heimwegs zum Kriegsende aus einem deutschen Zuchthaus im sächsischen Waldheim in die Heimat. Und landete damit einen Bestseller.
Inzwischen fast vergessen, liegt die hochspannende Geschichte jetzt unter dem Titel „Morgen wartet eine neue Welt. Frühling 1945 – der lange Weg nach Hause“ endlich erstmals auch auf Deutsch vor. Die Ich-Erzählerin war 28, als sie von der Gestapo in den besetzten Niederlanden verhaftet wurde, weil sie unter anderem als Kurier für Widerstandsgruppen Nachrichten an die Exilregierung in London geschleust hatte.
Als sie 1944 sogleich zum Tode verurteilt wurde, gehörte sie jedoch nicht zu den vielen, die umgehend hingerichtet wurde. Stattdessen zählte sie zu jenen sogenannten Nacht- und Nebelhäftlingen, die von einem Knast zum nächsten gebracht und häufig im Morgengrauen erschossen wurden. In den Gefängnissen waren die NN-Häftlinge die unterste Kategorie mit entsprechend schlechter Behandlung. Meist in Einzelhaft gehalten, setzten ihnen Hunger, Kälte und Krankheiten am meisten zu.
Doch Zip kommt nach etlichen Stationen nicht allein in Waldheim an. Die 30-jährige Nell wurde im November 1943 geschnappt und zum Tode verurteilt, weil sie im Untergrund die Flucht abgeschossener alliierter Piloten organisierte. Die 20-jährige Joke als Widerstandskämpferin eskortierte solche Piloten über die belgische Grenze und flog im Mai 1944 auf. Insgesamt saßen gegen Kriegsende noch 32 NN-Häftlinge ein und zu dem Frauentrio gesellte sich noch der Matrose Dries, den die Gestapo als Flüchtling auf See geschnappt hatte.
Ausgemergelt und mehr tot als lebendig erleben diese Vier am 7. Mai 1945 das kaum noch Erhoffte: am Morgen werden die Zellentüren von einem Rotarmisten geöffnet – Freiheit! Der drängendste Wunsch des Quartetts ist nun die Heimkehr. Doch wie? 700 Kilometer entfernt von der Heimat in einem Deutschland in Chaos und Auflösung mit wechselnden Besatzern und marodierenden Truppen.
Geführt von der unbeugsamen Zip entwickeln sie wilde Ideen wie die vom Boot, mit dem sie sich die Elbe hinunter bis nach Hamburg treiben lassen wollen. Der Transport wird ein verrücktes Abenteuer unter ständigen Gefahren, doch die Vier halten eisern zusammen und Mitte Juni 1945 können sie tatsächlich in Den Haag ihre rot-weiß-blaue Flagge hissen. Henriette Roosenburg wurde 1950 als erste Frau mit dem Bronzenen Löwen für ihren Heldenmut geehrt.
Fazit: eine Veröffentlichung, die längst überfällig war und nicht nur eine filmreife wahre Geschichte erzählt, erstmals wird absolut authentisch auch das vielfach grausige Schicksal der NN-Häftlinge thematisiert.

# Henriette Roosenburg: Morgen wartet eine neue Welt. Frühling 1945 – der lange Weg nach Hause (aus dem Amerikanischen von Hans-Christian Oeser); 320 Seiten; Aufbau Verlag, Berlin; € 22

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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