BARRACK OBAMA: EIN
VERHEIßENES LAND
Dass die allerwichtigste Aufgabe des Präsidenten darin besteht, das amerikanische
Volk zu beschützen, ist eine Binsenweisheit. Nicht nur angesichts des katastrophal
unzulänglichen Umgangs seines Nachfolgers im Amte mit der Corona-Krise versteht man sehr
gut, wie Barrack Obama an den aktuellen Zuständen in den USA leidet, war doch sein
Amtsverständnis das des sprichwörtlichen ersten Dieners im Staate.
Lange angekündigt und mit einem siebenstelligen Starterfolg, liegt nun Teil 1 seiner
Memoiren unter dem Titel Ein verheißenes Land auch auf Deutsch vor. 500
seiten hatte er schreiben wollen, die Fülle dessen, was er zu sagen hat, ließ ihn das
Projekt jedoch auf zwei Bände ausweiten und schon dieser erste hat 1016 Seiten. Die sich
aber leicht lesen lassen, denn Obama schreibt nicht nur souverän und angenehm
unprätentiös, er hat auch ungeheuer viel zu sagen.
Nachdem er im Vorwort deutlich macht, wie sehr ihn die Entwicklung der USA in den letzten
Jahren mit Sorge erfüllt, schildert er zunächst seine multikulturelle Kindheit und
Jugend. Seinen kenianischen Vater lernt er erst mit zehn Jahren kennen, als dieser ihn und
seine weiße Mutter für einen Monat in seiner Geburtsstadt Honolulu auf Hawaii besucht.
Später wächst der lustlose Schüler etliche Jahre in Indonesien auf.
Als Jura-Student lernt er in Harvard seine Frau Michelle kennen. Nach der Heirat und der
Arbeit als Community Organizer in Chicago dann der frühe schnelle politische Aufstieg bis
zum Senator. Und dann kommen die höchst fesselnd geschilderten Zeiten vom Vorwahlkampf
und vom Weg als Präsidentschaftskandidat bis zum Wahlsieg am 4. November 2008. Mit
großer Offenheit spricht Obama über das oft heftige Ringen und eröffnet den Blick auf
viele Innenansichten der Tretmühle eines solchen Wahlkampfs.
Und schon hier offenbarte sich ein mitentscheidendes Merkmal Hillary Clintons, die seine
schärfste Mitbewerberin war, das sie 2016 gegen Trump den Wahlsieg kostete: sie galt
bereits im Ringen mit Obama als eine typische Vertreterin des Washingtoner Establishments.
Doch Obama erklärt ebenso, wie dem Wahlsieg seines so demonstrativ
unpolitischen Nachfolgers schon lange zuvor der Weg geebnet wurde.
Als sein ehrenwerter republikanischer Gegenkandidat John McCain die Gouvereurin von
Alaska, die attraktive aber nur mäßig gescheite Sarah Palin, zur
Vizepräsidenten-Kandidatin erkor, zeichnete die sich bei vielen großen Worten als
himmelschreiend ahnungslos in den meisten politischen Themen aus und das vor frenetisch
jubelndem Publikum die Tea-Party-Bewegung eroberte die Republikanische Partei und
machte Trump möglich.
Obama aber beschreibt nun den Einzug ins Weiße Haus und gibt einen detaillierten Einblick
in diese sehr eigene Welt der Machtzentrale. Und wie allen Ausführungen kommt auch in
wohldosierten Maßen das Private nicht zu kurz. Über Michelle, die beruflich erfolgreiche
Juristin, die es wahrlich nicht zum inoffiziellen Amt einer First Lady gedrängt hatte.
Wogegen die beiden Töchter offenbar ihre neue Umgebung durchaus genossen, auch wenn sie
wie ihre Eltern so manches Mal genervt waren von all den Sicherheitsmaßnahmen des Secret
Service, die das Alltagsleben gravierend beeinflussten.
Im sehr genauen Protokoll berichtet Obama seine Regierungsarbeit der ersten drei Jahre als
Präsident. Die innenpolitischen Kämpfe wie zum Beispiel um die sogenannte
Obamacare, die verbesserte Krankenversicherung für Millionen Amerikaner, von
den Republikanern bis heute fanatisch bekämpft. Oder die Widerstände auch aus den
eigenen Reihen gegen ein großes Klimaschutzgesetz. Viel Aufschlussreiches ebenso aus der
Weltpolitik, wo Obama eine gewisse Versöhnung mit dem Rest der Welt gelang.
Höchst interessant dabei, wie er seine Gegenspieler wie auch Verbündete
einschließlich Angela Merkel in Erscheinung und Handeln charakterisiert. Barrack
Obama als Teamplayer, als Mann der geschliffenen Rede und des lässigen Charismas. Und der
massiven Reibefläche als Schwarzer für Republikaner, die einen wie ihn als schlimmen
Betriebsunfall empfinden, den sie mit allen Mitteln bis hin zur Dauerobstruktion aus dem
Senat bekämpfen.
Hier widmet sich Obama auch der zunächst als lästig hingenommenen
Birther-Kampagne: er sei gar nicht in den USA geboren und hätte folglich
nicht US-Präsident werden dürfen. Großer öffentlicher Anführer dieses schmählichen
Angriffs: ein gewisser Donald Trump! Die Zeile für Zeile interessanten und sehr
aufschlussreichen Memoiren reichen schließlich in Band 1 bis zu jenem außergewöhnlichen
Erfolg, als eine Spezialeinheit der Navy-SEALS Osama bin Laden in seinem pakistanischen
Zufluchtsort liquidiert.
Fazit: ein außergewöhnlicher Lebensbericht mit tiefen Einblicken, eloquent und teils
humorvoll verfasst von einem der besseren Präsidenten der Weltmacht USA. Da wartet man
gespannt auf die Fortsetzung.
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