YUVAL NOAH HARIRI: „FÜRSTEN IM FADENKREUZ“


Spätestens seit all den Filmen um sogenannte Kommandounternehmen, mit denen im Krieg oft entscheidende Erfolge errungen wurden, kennt man derartige spezielle Einsätze. Doch sie sind keine Erfindung der Neuzeit, wie Yuval Noah Hariri detailliert belegt.
Bevor der israelische Historiker sich an der Hebrew University in Jerusalem der Weltgeschichte zuwandte und mit Büchern wie „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ und „Homo Deus“ Welterfolge feierte, war er zum Experten für Militärgeschichte geworden. Nun liegt ein Kompendium seiner Studien aus dem Jahr 2007 endlich auch auf Deutsch vor.
„Fürsten im Fadenkreuz. Geheimoperationen im Zeitalter der Ritter 1100-1550“ lautet der Titel. Im ersten Teil widmet sich Hariri dem Wesen dessen, was man heute „schmutzige Kriegsführung“ nennt sowie den Beweggründen für derartige Kommandoeinsätze. Stehende Heere gab es damals kaum und die für Kriege und Eroberungszüge zusammengezogenen Armeeverbände waren schon auf Grund ihrer heterogenen und häufig wechselnden Zusammensetzung hinsichtlich ihrer Loyalität wenig belastbar.
Schlechte Disziplin, Desertion, Rebellion und offener Verrat waren an der Tagesordnung. Kleine Gruppierungen hatten es da häufig leicht, mit allerlei Kriegslisten und Täuschungsmanövern entscheidende Vorbereitungen für siegreiche Schlachten oder Eroberungen zu schaffen. Mit teils solch weitreichenden Folgen, dass ganze Reiche oder Dynastien durch ein gezieltes Manöver vernichtet wurden, da sie häufig auf einzelne politische oder militärische Schlüsselfiguren beruhten. Da galten Mordanschläge aus gutem Grund als effektive und zugleich kostengünstige Alternativen gegenüber großen Heerzügen und langwierigen Belagerungen.
Wie die sechs Beispielfälle im zweiten Teil des Buches belegen, ließen sich die Betreiber solcher Spezialkommandos dann auch nicht vom – angeblich – ehrenhaften Ritterkodex sondern von den Möglichkeiten und der Nützlichkeit anleiten. Ausführlich beschreibt Hariri hier zum Beispiel die militärischen Tricksereien der christlichen Ritter beim ersten Kreuzzug, als sie 1098 Antiochia durch eine Kombination aus Ablenkungsmanöver und Kommandoeinsatz eroberte.
Ein Vorbild aus antiker Zeit nahm sich Graf Wilhelm von Oranien bei der hinterlistigen Befreiung von Nîmes aus den Händen der Sarazenen. Er selber gab sich als englischer Kaufmann aus, seine Kommandoeinheit aber gelangte wie einst beim Trojanischen Pferd hier in Holzfässern in die befestigte Stadt.
Wahrhaft filmreife Aktionen waren solche trickreichen Einsätze zumeist. Doch nicht immer waren sie auch von Erfolg gekrönt, wie jener wagemutige nächtliche Ausfall der rebellischen Lütticher im Oktober 1468. Beinahe hätten sie gleich zwei Herrscher erwischt, scheiterten jedoch durch eigenes Ungeschick, nachdem sie bereits in die Unterkünfte der Belagerer eingedrungen waren.
Auch hier war der angestrebte Erfolg wichtiger als ein in den Überlieferungen beschworene Ritterlichkeit – wenn die denn jemals als realistische Alternative den Vorrang bekommen hätte. Fazit: eine ebenso interessante wie spannende Studie militärischer Winkelzüge, die viel öfter Kriege oder den Untergang ganzer Herrscherhäuser entschieden, als allgemein angenommen.

# Yuval Noah Hariri: Fürsten im Fadenkreuz. Geheimoperationen im Zeitalter der Ritter 1100 – 1550 (aus dem Englischen von Andreas Wirthensohn); 347 Seiten, div. Abb.; C. H. Beck Verlag, München; € 26,95

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS) 

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