JOHN NIVEN: „DIE F*CK-IT-LISTE“


Frank Brill war bisher ein außerordentlich glückloser Mensch gewesen. Nun mit 60 erhält er auch noch die nicht so ganz überraschende Diagnose, dass er Krebs und höchstens noch sechs Monate zu leben hat.
Eine Therapie lehnt er ab, stattdessen widmet er sich weder letzten Wünschen sondern einem seit drei Jahren erarbeiteten Plan: einem Rachefeldzug. So heißt denn auch der Titel von John Nivens jüngstem Roman „Die F*ck-it-Liste“. Brill hatte drei Ehefrauen und zwei Kinder, nichts davon ist ihm geblieben.
Aber fünf verschiedenfarbige Ordner mit Namen von Leuten, die seiner Meinung nach dafür verantwortlich sind, dass seine letzte Frau und beider Sohn in einem Schulmassaker umkamen, dass seine Tochter bei einer illegalen Abtreibung starb und dass sich sein bester Schulfreund umbrachte. Frank Brill war viele Jahre Chefredakteur der Zeitung seiner Heimatstadt Schilling, Indiana, bis die vor einigen Jahren schloss, was sowohl sein methodisches Vorgehen wie auch seine Recherchefähigkeiten erklärt.
Das Alles wären sicher gute Anlagen für einen nicht überaus originellen Rachefeldzugsthriller. Doch dies ist eine gallebittere Satire, spielt im Jahr 2026 und der schottische Erfolgsautor malt den Teufel an die Wand – Donald Trump hat im Laufe seiner zweiten Amtsperiode dafür gesorgt, dass Tochter Ivanka erst Vizepräsidentin und dann bei seinem Rücktritt seine Nachfolgerin im Weißen Haus wurde!
Und diese Trump-USA haben sich noch monströser entwickelt, als mancher befürchtet hatte. Waffentragen ist jetzt nicht nur erlaubt sondern sogar Pflicht, Abtreibungen sind generell verboten, Pressefreiheit gibt es nur noch offiziell. Protestieren darf man noch, die Folgen sind jedoch äußerst unangenehm. Ganz nebenher haben die Eroberung des Iran und die nukleare Ausradierung Nordkoreas außenpolitisch für Ruhe gesorgt.
Doch zurück zu Frank Brill und seiner Liste: „Die Auswahl war teils persönlich, teils politisch motiviert, obwohl selbst das Politische noch ziemlich persönlich war.“ Quasi als Aufgalopp sucht er als erstes den einstigen Sportlehrer Hauser auf, der an der Highschool Franks Freund missbraucht und in den Selbstmord getrieben hatte. Die Rache wird ein Gemetzel, ruft aber auch den Detective Bob „Chops“ Birner auf den Plan.
Der alternde gefräßige Hüne war ein heimlicher Freund Hausers, mit dem er ebenso heimlich dessen Päderastengelüste teilte. Chops heftet sich auf Franks Fersen. Der aber bestraft als nächstes in Las Vegas den Heiratsschwindler, der seine erste Frau damals getröstet, ausgenommen und in den Alkoholismus getrieben hatte.
Und dann wird es richtig politisch, denn das Schulmassaker, dem Pippa und der kleine Sohn zum Opfer fielne, hatte auch mit dem unseligen Treiben der National Rifle Association und ihrem Waffenwahn zu tun. Auf der Liste steht keine Geringerer als der NRA-Präsident. Tochter Olivia wiederum verblutete nach einer illegalen Hinterzimmer-Abtreibung und die war der 22-Jährigen nur noch übrig geblieben nach dem Triumph der Abtreibungsgegner. Den entscheidenden Anstoß am Supreme Court gab Richter Rockman – nach Franks Brills Recherchen ein bibelstrenger Moralist und perverser Lustgreis.
Da passt es ins Bild, dass der mittlerweile 80-jährige Ex-Präsident sich mit seiner 28-jährigen nunmehr vierten und hochschwangeren Ehefrau umjubeln lässt (Melania starb während der Scheidungsphase bei einem bedauerlichen Hubschrauberabsturz) und im ganzen Land der Trumpismus irre Blüten treibt. Wie sehr, das erfährt man schaudernd während Franks Fahrten zu den Zielorten.
Und man glaubt es gern: „Frank Brill war einmal Chefredakteur einer Zeitung gewesen. Heute schätzte er sich glücklich, nicht mehr lange leben zu müssen.“ Was nach dem vierten Akt kommt, sei hier nicht verraten, aber es ist wie der gesamte hochspannende Roman absolut filmreif. Bei all dem erwarte man jedoch bitte keinerlei „political correctness“, denn die ist hier mit grimmigem Humor und schnörkellos, ja teils drastischer Sprache den Zuständen angepasst, die Frank Brill im Jahr 2026 in den USA durchleidet. Bleibt nur inständig zu hoffen, dass das mal nicht Realität wird...

# John Niven: Die F*ck-it-Liste (aus dem Englischen von Stephan Glietsch); 317 Seiten; Heyne Hardcore, München; € 22

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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