MARTIN SCHÄUBLE: „CLEANLAND“


In Cleanland gelten „Die fünf Gesetze der absoluten Reinheit (GaR): 1. Reinheit bietet Schutz/ 2. Berührung ist gefährlich/ 3. Abstand führt zu Sicherheit/ 4. Kontrolle dient der Gesundheit/ 5. Gesundheit ist wichtiger als Freiheit“.
Diese streng angewandten Gesetze des Ministeriums für Reinheit prägen das Leben im hochmodernen Cleanland seit dem Gesunden Wandel nach der Großen Pandemie. Und „Cleanland“ ist auch der Titel von Martin Schäubles jüngstem Jugendroman. Die Inspiration ist offensichtlich: im Frühjahr 2020 wollte er seinen Roman „Sein Reich“ - der mit dem Treiben von Reichsbürgern ebenfalls höchst aktuell ist – auf Lesereise durch Deutschland vor allem in Schulen vorstellen.
Doch dann kam Corona und die große Krise, die ja längst noch nicht überstanden ist. Und Schäuble spann all die Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie weiter zu einer erschreckend real erscheinenden Dystopie. Im Mittelpunkt steht Ich-Erzählerin Schilo. Für die 15-Jährige sind die strengen Regeln Cleanlands selbstverständlich, weil sie es nicht anders kennt.
Jedermann trägt außerhalb seiner Wohnung seinen Protextor, den hochmodernen Schutzanzug, und dazu ein Gesichtsvisier. Das Controllerarmband registriert ständig sämtliche Körperwerte, aber auch sämtliche Sozialkontakte mit anderen Personen. Jeder hat außerdem nur eine offiziell registrierte persönliche Kontaktperson außerhalb der Familie und das Zusammensein mit ihr wird ebenfalls vom Controller überwacht. Für Schilo ist das die Klassenkameradin Samira.
Schilo lebt mit ihrer Mutter und ihrer Oma zusammen. Wobei die alte Dame allerdings wie alle Risikopersonen ihren eigenen Sicherheitsbereich in der Wohnung hat, den sogenannten „Raum der Einsicht“. Der im Übrigen mit einer großen Glaswand abgeschottet ist, für deren Versiegelung nur der Cleaner einen Schlüssel hat. Diese Reinigungsleute kommen allnächtlich, um jegliche Wohnräume intensiv zu desinfizieren.
Persönliche Kontakte zu Cleanern sind untersagt, wären aber ohnehin quasi ausgeschlossen, da normale Bürger wie Schilo und ihre Familie abends ihre „Nachtheiler“-Pille einnehmen für einen gesundheitsförderlichen Schlaf. Und für Schilo gilt es sowieso besonders, die streng überwachten Regeln einzuhalten, denn – ihre kühl distanzierte Mutter arbeitet ausgerechnet im Ministerium für Reinheit.
Schilo kommt an sich gut zurecht, versteht sich gut mit der kauzigen Oma und schummelt schon mal mit der Einnahme des Nachtheilers. Und lernt dadurch überraschend den neuen Cleaner ihrer Wohnung kennen, Toko. Der dieser unterprivilegierten Arbeit nur nahcgeht, um sich sein studium damit zu finanzieren. Zunächst sind es nur wenige Sätze, die sie miteinander wechseln.
Dann jedoch passiert etwas, dass Schilo sehr bald an der Richtigkeit des Systems zweifeln lässt. Samiras kleiner Bruder Oscar rebelliert gegen die Protectorpflicht. Woraufhin ihn der Gesundheitsdienst im „Raum der Einsicht“ isoliert. Und plötzlich ist außerdem Samira verschwunden. Wie Schilo von den fassungslosen Eltern erfährt, hat sie sich offenbar gegen die Maßnahmen gegen Oscar aufgelehnt und ist zur „Motivation Academy“ abgeholt worden.
Wie Schilo bald herausfindet, ist das eine Art Umerziehungsanstalt, ein „Ort, an dem jeder lernt, was gesund ist.“ Während ei eigene Mutter die unerbittlichste Kontrolleurin Schilos ist, gelingt es der, nicht nur den Kontakt zu Toko zu vertiefen. Und es kann für sie nur noch eine Lösung geben: weg und das nicht allein. Und notfalls in die sogenannten Sicklands außerhalb der Gesundheitsdiktatur Cleanlands.
Mehr sei hier nicht verraten von diesem hochspannenden beklemmenden Roman. Dem merkt man zwar ein wenig an, dass es ein Schnellschuss ist, dem eine etwas stärkere Ausformung Cleanlands und der Charaktere gut getan hätte. Gleichwohl fesselt das Alles ungemein und hat das Zeug zu einem Klassiker, gerade weil manches so bedrohlich nah im Bereich des Möglichen liegt. Fazit: dringend zu empfehlen nicht nur für Teenager jeden Alters.

# Martin Schäuble: Cleanland; 195 Seiten; S. Fischer KJB, Frankfurt; € 14

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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