SHARON CAMERON: „DAS MÄDCHEN, DAS EIN STÜCK WELT RETTETE“


Wer den Jugendroman „Das Mädchen, das ein Stück Welt rettete“ von Sharon Cameron ohne jede Vorkenntnisse liest, könnte versucht sein, das darin geschilderte Geschehen für ein überzogenes Drehbuch für einen Hollywood-Film zu halten.
Zu verrückt und auch widersprüchlich erscheint da manches, doch – die gesamte Geschichte beruht auf Tatsachen. Die anfangs 16-jährige Stefania Podgorska hat im Zweiten Weltkrieg nicht nur ihre kleine Schwester Helena durch alle Wirren gebracht, sondern gegen alle Wahrscheinlichkeit 13 Juden unter schwierigsten Umständen das Leben gerettet.
Die US-Erfolgsautorin hat bei ihren intensiven Recherchen die echte Stefania und auch einige der von ihr Geretteten interviewt. Auch ist sie in jenes Städtchen Przemysl gereist, wo sich alles zugetragen hat. Stefania Podgorska wurde im Übrigen wie auch ihre Schwester für ihren selbstlosen Einsatz 1979 von der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem in die Reihe der „Gerechten unter den Völkern“ aufgenommen.
Dabei hatte Stefanias Jugend so erfreulich begonnen. Weg vom Land wollte sie und bekam eine Stelle beim jüdischen Kaufmannsehepaar Diamant. Nicht nur fand sie sie ein offenes Herz bei Frau Diamant, die der 16-Jährigen die Feinheiten im Umgang mit den Kunden beiobrachte, bald verliebte sich auch Sohn Izio Diamant in die hübsche „Fusia“ und sie begannen, von einer gemeinsamen Zukunft zu träumen.
Das war im Sommer 1939 und im September fielen deutsche Bomben. Schlimmer als die Besatzung durch die Deutschen war das Wüten der SS gegen die jüdische Bevölkerung. Auch die familie Diamant war betroffen und wurde inhaftiert. Stefania aber hatte inzwischen eine kleine Wohnung mit Dachgeschoss für sich und ihre kleine Schwester angemietet.
Als nun Izio und andere vor den SS-Schergen Schutz suchten, wurde es schließlich bis zu 13 Personen, die sich unter Stefanias Dach verbargen – ohen Strom, Wasser und Toiletten. Immer schwieriger wurden Ver- und Entsorgung und um Geld heranzuschaffen, mussten alle Strickarbeiten leisten.
Viel schlimmer aber waren die ständig und überall lauernden Gefahren für aller Leib und Leben. Und die wurden dann durch widrige Umstände noch verschärft, als zum Beispiel gleich nebenan ein SS-Offizier eine Wohnung bezog. Dabei und bei unerfreulichen Besuchen der Besatzer rettete ihre clevere Schlagfertigkeit immer wieder Stefania und ihre Schützlinge.
Trotzdem liest sich das, was Ich-Erzählerin stefania schildert mit fortschreitendem Kriegsverlauf immer bedrohlicher und entsprechend zunehmend spannender. Das gipfelt schließlich in der makaberen Situation, dass monatelang deutsche Krankenschwestern in ihrem Haus einquartiert werden. Als regelrechte Nazi-Pension empfindet die junge Heldin diese Zustände, zumal die Krankenschwestern unterm selben Dach mit den 13 versteckten Juden sich mit ihren Liebsten von der SS vergnügten.
Zweieinhalb Jahre dauerte die Zitterpartie, bei der hinter jeder Ecke das Auffliegen und der sichere Tod lauerten, dann im Sommer 1944 müssen die Deutschen vor der Roten Armee reißaus nehmen. - Eine wahre Geschichte von ungeheuer viel Mut und Mitmenschlichkeit unter
schlimmsten Bedingungen und hier ist sie auf fesselnde aber nie reißerische Weise erzählt.
In einem Nachwort beleuchtet die Autorin die echten Personen und was aus ihnen geworden ist. Fazit: ein starkes und wichtiges Erinnerungsbuch, das für junge Leser ab 13 Jahre zu empfehlen ist, da die unvermeidlichen Härten in manchen Geschehensabläufen dezent gehalten sind.

# Sharon Cameron: Das Mädchen, das ein Stück Welt rettete (aus dem Amerikanischen von Katharina Fors und Naemi Schumacher); 471 Seiten; Insel Verlag, Berlin; € 18

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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