JACQUES POULIN: VOLKSWAGEN
BLUES
In Kanada war Jacques Poulins Volkswagen Blues 1984 ein mehrfach
ausgezeichneter Bestseller und längst ist aus dem Roadmovie echter Kultroman geworden.
Erst jetzt jedoch liegt dieses gediegene Stück Literatur des frankoamerikanischen Autors
erstmals auf Deutsch vor.
Im Mittelpunkt steht der 40-jährige Schriftsteller Jack Waterman, der gerade unter eine
Schreibblockade leidet. So rafft er sich mit seinem betagten VW-Bulli auf, um seinen
Bruder Théo zu suchen. An die 20 Jahre hat er nichts von ihm gehöprt, doch war ihm nun
aus einem Buch eine längst vergessene Ansichtskarte Théos entgegengefallen. Mit einem
Text des französischen Forschers Jacques Cartier aus dem 16. Jahrhundert versehen und
abgeschickt in Gaspé, nicht weit von Québec.
Nach der ersten Übernachtung auf dem dortigen Campingplatz begegnet Jack einem seltsamen
Mädchen mit endlos langen Beinen. Wegen denen es den Spitznamen große
Heuschrecke trägt. Den richtigen Namen Pitsémine erfährt er ebenso erst später
wie die Tatsache, dass ihre Mutter Indianerin war. Die Langbeinige wird umgehend zu Jacks
spröder Reisebegleiterin und hat immer wieder clevere Ideen, wenn die Suche nach Théo
ins Leere zu laufen droht.
Und als Trio gehen sie auf einen endlos langen Tripp, denn stets dabei ist auch
Pitsémines kleiner schwarzer Kater Chop Suey, der quasi in ihrem Rucksack sein Zuhause
hat. Eigentlich aber sind sie zu viert unterwegs, denn der mächtig angerostete VW-Bus der
über 195.000 Kilometer auf dem Buckel hat, weist ebenfalls recht eigenwillige
Charaktereigenschaften auf. Um so besser trifft es sich, dass die langbeinige junge Frau
das Handwerk des Kfz-Mechanikers erlernt hat.
Wie dieses Quartett nun den Spuren von Gaspé aus nach St. Louis, Missouri, in den USA
folgt und vor dort aus verschlungenen Pfaden immer weiter, das gestaltet sich mit Jack und
Pitsémine als ausgesprochenen Einzelgängern zu einem Entdeckungstrip. Sie besuchen dabei
Museen und Bibliotheken und sie tauchen tief ein in die Geschichte Nordamerikas.
Vor allem für die Halbindianerin kocht dabei so einiges hoch, denn je mehr sie erfahren
teils an historischen Stätten desto mehr muss Jack ihr beipflichten, dass
die Entdeckung des Kontinents durch den weißen Mann für die Ureinwohner eine Invasion
war, begleitet von vielen unchristlichen Massakern.
Doch es gibt auch manch humorvolle bis melancholische Passagen. Da spielen dann
Begegnungen unter anderem mit Saul Belloow eine Rolle und immer wieder durchweht der Geist
der einstigen Beat-Generation den Roman. Wie Poulins Stil ohnehin in seiner
schnörkellosen lebensnahen Prosa an Vorbilder wie Jack Kerouac erinnert.
Bis nach San Francisco geht der Trip und irgendwann ist es auch gar nicht mehr von Belang,
ob Jack seinen Bruder wirklich findet. Fazit: ein charmantes und irgendwie reizvoll
altmodisches Stück Literatur aus einer deutlich vergangenen Zeit.
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