BARBARA BEUYS: ASTA
NIELSEN
Asta Nielsen (1881-1972) war der erste Weltstar der Filmgeschichte. Bereits 1912 wurde die
da bereits 30-jährige Dänin in der Presse als die nordische Duse der
Kinokunst bezeichnet.
Die renommierte Biografin Barbara Beuys hat sich dieser Ikone nun mit ihrem Buch
Asta Nielsen Filmgenie und Neue Frau gewidmet. Zunächst geht sie auf
die Kindheit und Jugend in ärmlichen Verhältnissen in Kopenhagen ein. Mit 12 gab es dann
einen Brief, der ihr Schicksal prägen sollte: ihr Lehrer empfahl sie fürs Vorsingen bei
Opernaufführungen am Königlichen Theater.
Als sie dort mit 13 Ibsens Drama Brand sah, war die lebenslange Leidenschaft
fürs Schauspielmetier geweckt. Ihr Weg zu einer bewegten Karriere gegen viele
Widerstände und sogar trotz eines unehelichen Kindes mit gerade 20 liest sich
spektakulär. Die Biografin, die in vielen Archiven recherchierte und vor allem auch
zahlreiche Briefwechsel auswertete, bezieht sich vor allem für diesen Lebensabschnitt
grundsätzlich auf Asta Nielsens umfangreiche Autobiografie.
Und weist hier wie auch für spätere Lebensphasen darauf hin, dass die ebenso
selbstbewusste wie durchsetzungsfähige Aktrice in ihren Memoiren die Chance der
Deutungshoheit grünlich nutzte. So unterschlug sie darin die Tochter Jesta, die sie
anfangs tatsächlich in die Obhut Fremder und dann in die von Mutter und Schwester gegeben
hatte, später aber als ihr Ein und Alles bezeichnete. Allerdings blieben in diesen
Memoiren auch Ehemänner und andere Partner unerwähnt.
Um so expliziter gestaltet sich die Darstellung der Filmkarriere, nachdem die aufstrebende
Theaterschauspielerin einen vermeintlichen künstlerischen Abstieg durch das
junge Medium befürchtete. Doch gleich ihr erster Film Abgründe sorgte 1910
weltweit für Furore. Nicht nur die erstmals auf 45 Minuten Laufzeit ausgedehnte Länge
dieses Stummfilms lockte das Publikum in Scharen in die überall entstehenden
Lichtspielhäuser.
Asta Nielsen hatte als große Mimin mit Talent für eine faszinierende Mischung aus Komik,
Erotik und Dramatik. Ihre Wandlungsfähigkeit in den Filmen wie auch ihre sehr
selbstbewusste und auf Unabhängigkeit beharrende Persönlichkeit schufen schnell das Bild
eines neuen, modernen Typus Frau.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Berlin bis Sommer 1939 zur zweiten Heimat und der Star
feierte außer auf der Leinwand auch auf der Bühne triumphale Erfolge. Zu ihrem
Freundeskreis zählten illustre Künstler wie Ringelnatz und Heinrich George. In ihren
Partnerschaften hatte stets sie die Hosen an und selbst die Nazis vermochten nicht sie zu
vereinnahmen.
Asta Nielsen war der Weltstar des Stummfilms und erst 1932 hatte sie mit Unmögliche
Liebe ihren einzigen Tonfilm gedreht. Als nun die neuen Machthaber 1933 mit großen
Gesten um sie warben, ließ sie schließlich den Propagandaminister und Kino-Enthusiasten
Joseph Goebbels ebenso clever wie entschieden abblitzen sie drehe keine Filme mehr.
In der Heimat machte der gealterte Star nach dem Weltkrieg einen Neustart als Autorin und
als Künstlerin mit viel gerühmten Stoff-Collagen. Später folgten noch aufsehenerregende
Dokumentationen und auch die letzte ihrer Ehen passte noch einmal ins Bild dieser
außergewöhnlichen Frau: mit 88 Jahren heiratete sie meine einzige große und
erfüllte Liebe, den 18 Jahre jüngeren homosexuellen Kunsthändler Christian
Scheede.
Doch auch trotz des aufschlussreichen Briefwechsels aus diesen letzten Lebensjahren bleibt
das Privatleben, bleibt der Mensch Asta Nielsen in manchen Aspekten unzugänglich. Bei
aller Akribie gestaltete sich diese Biografie deshalb in weiten Passagen eher zu einer
detaillierten Hommage zu einer allerdings durchaus spannenden Persönlichkeit.
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