„MAX REINHARDT: REGIEBUCH ZU HUGO VON HOFFMANNSTHALS 'JEDERMANN'“


Die weltberühmten Salzburger Festspiele feierten am 22. August 1920 ihren Auftakt mit dem „Jedermann. Das Spiel vom Sterben des reichen Mannes“. Pünktlich zum 100-jährigen Jubiläum der Festspiele liegt dazu mit „Max Reinhardt: Regiebuch zu Hugo von Hoffmannsthals Jedermann“ nun eine einzigartige Veröffentlichung vor.
Das auf dem englischen Volksstück „Everyman“ auf dem 15. Jahrhundert beruhende Theaterspiel ist längst zum Kultstück und Markenzeichen der Salzburger Festspiele geworden. Der geniale Regisseur Max Reinhardt (1873-1943) hatte den „Jedermann“ bereits 1911 in Berlin erstmals inszeniert und dem Erfolg in Salzburg sollte dann 1927 der dritte Erfolg in New York folgen.
Grundlage aber war für alle drei Inszenierungen das Regiebuch, das Reinhardt penibel und bis in kleinste Regieanweisungen hinein akribisch angelegt hatte. Der Salzburger Festspielfond als Herausgeber des zweibändigen Theaterschatzes war in der glücklichen Lage, dass diese Hinterlassenschaft dort liegt und nicht dem Max-Reinhardt-Archiv in New York zugeordnet wurde.
Die jetzige Edition in zwei Bänden ist transkribiert und kommentiert. Band I enthält das Regiebuch-Faksimile und Helga Rabl-Stadler stellt es als Dokument einer Erfolgsgeschichte ebenso mit eingehenden Details vor wie Edda Fuhrich die das Dokument als „vollkommene Partitur“ rühmt. Das Regiebuch wurde eigens vom Originalverlag S. Fischer in Berlin auf Anweisung des Regisseurs für seine besonderen Anforderungen gedruckt: eine Seite mit dem Theatertext und die gegenüberliegende Seite frei für seine Anmerkungen.
Die erfolgten in einzigartiger Fülle für jede Szene und gaben sogar Betonungen einzelner Wörter samt der Lautstärke vor. Pedantisch ging das bis in Gebärden auch des letzten Statisten. Mit großer Akribie skizzierte Reinhardt so ein „Phantasiebild“ seiner Inszenierung. Wie auf den abgebildeten Seiten erkennbar, verwandte Reinhardt für Salzburg einen blauen Stift und violette Tinte (in Berlin benutzte er Bleistift und schwarze Tinte, für New York einen Rotstift und entsprechende Tinte.).
Doch auch der größte Theaterenthusiast hätte wohl nur ein mäßiges Vergnügen an diesem Faksimile, denn Reinhardts Handschrift war höchst unleserlich und all die Überschreibungen erschweren das Entziffern zusätzlich. Um so verdienstvoller ist deshalb Band II mit der wissenschaftlich akkuraten Übertragung sämtlicher handschriftlicher Anmerkungen in gedruckter Form. Hierzu fügte Harald Gschwandtner editorische Vorbemerkungen und einen Stellenkommentar bei.
Natürlich erfährt der Leser auch weitere interessante Einzelheiten zu dem Theaterereignis, das im August 1920 – wie bis auf den heutigen Tag – auf dem Salzburger Domplatz unter freiem Himmel stattfand. Angefügt ist im Übrigen die Besetzungsliste für die drei berühmten Inszenierungen, wobei in Salzburg wie an den anderen Alexander Moissi den „Jedermann“ spielte und als „Buhlschaft“ trat Johanna Terwin auf. Als wohl noch heute bekanntester Schauspieler dürfte allerdings Heinrich George gelten, der damals den „Mammon“ verkörperte.
Fazit: ein theaterhistorisches Kleinod zu einem genialen Regisseur und dem Kultstück, mit dem er in Zusammenarbeit mit dem Autor desselben die Salzburger Festspiele begründete.

# Max Reinhardt: Regiebuch zu Hugo von Hoffmannstahls Jedermann - herausgegeben vom Salzburger Festspielfonds; 572 Seiten, div. Abb., zwei Bände Klappenbroschur im Schuber; Hollitzer Verlag, Wien; € 80

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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