MARIO VARGAS LLOSA: HARTE
ZEITEN
Es ist allgemein bekannt, was mit dem nicht eben charmanten Begriff Bananenrepublik
gemeint ist. Literatur-Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa aber erzählt in seinem neuen
Roman Harte Zeiten die ebenso unrühmliche wie folgenreiche Entstehung dieses
Phänomens.
Ausgangspunkt war die United Fruit Company UFC, die in Guatemala wie in etlichen anderen
Staaten Mittelamerikas und der Karibik Bananenplantagen unterhielt. Überall bestimmte der
US-Konzern nach Gutdünken, was seinen Interessen diente, und das ausgesprochen
rücksichtslos. Billes Land, Hungerlöhne und die Rechtlosigkeit der Arbeiter waren so
selbstverständlich wie die Ablehnung von Gewerkschaften. Da kam natürlich Unmut auf, als
im unbedeutenden Guatemala 1944 mit Juan José Arévalo Präsident ans Ruder kam, der
demokratisch gesonnen war. Und als er 1951 vom ersten frei gewählten Präsidenten Jacobo
Abenz Guzman abgelöst wird, schrillen im Konzern endgültig die Alarmglocken: dieser Mann
beginnt mit echten Sozialreformen!
Die UFC holt sich zur Beratung die absolute Geheimwaffe, den Erfinder der Public Relations
Edward Bernays. Der Neffe Siegmund Freuds ist ebenso eine historische Figur wie fast alle
Protagonisten des Romans, und auch die teils komplex versetzt geschilderten Ereignisse
folgen den tatsächlichen. Bernays erkennt die ernsthafte Bedrohung für die Company durch
die grenzenlose Begeisterung des Antikommunisten Arbenz für die Demokratie. Das
sollten Sie wissen, aber nicht aussprechen, erklärt er dem Aufsichtsrat der UFC.
In einer infamen Zangenbewegung gehen der Propaganda-Guru und vor der Ort der einschlägig
vorbelastete US-Botschafter John Emil Peurifoy gegen des drohende Übel vor unter
anderem will Arbenz sogar erstmals dafür sorgen, dass das krakenhaft ausgebreitete
Unternehmen endlich Steuern zahlen muss. Bernays greift zur psychologischen
Kriegsführung, indem der US-Regierung und der Öffentlichkeit glaubhaft gemacht wird,
dass Guatemala unter Arbenz zum Trojanischen Pferd der Sowjetunion geworden sei.
Botschafter Peurifoy tritt derweil dreist mit unverhohlenen Drohungen und Forderungen bei
Arbenz auf. Im Hintergrund hat die CIA bereits ein großes Marionettenspiel aufgezogen,
mit Hilfe dessen eine Befreiungsarmee zuzüglich US-Kräften mit einer
Invasion drohen. Im Sommer 1954 zwingt die Operation Success Arbenz ins Exil
und der US-geförderte Putschist Castillo Armas wird neuer Präsident Guatemalas.
Natürlich nimmt er unverzüglich alle die UFC hinderlichen Reformen zurück. Peurifoys
dringlichste Aufgabe aber ist es nun, alle Spuren der US-Einmischung zu tilgen. Längst
aber hat Mario Vargas Llosa bis dahin aus dem eingangs eher trockenen Geschichtsunterricht
über das imperiale Treiben der USA in ihrem Hinterhof zu einem
Reality-Politthriller mit Intrigen, Verrat und üblen Schurken werden lassen.
Da darf auch eine schöne Frau nicht fehlen, in diesem Fallk Miss Guatemalam
die so von ihren Eltern genannte Martita Borreo Parra deren Namen der Autor aus
triftigen Gründen anonymisiert hat, wie sein als Epilog angefügtes Interview mit der
echten Dame, die wahrscheinlich eine CIA-Agentin war, erkennen lässt. Martita musste mit
15 den Erzeuger ihres Kindes heiraten, als wahre Schönheit betörte sie dann mit 20 den
Putsch-Präsidenten. Um jedoch gleich nach dessen Ermordung in das Bett des dafür
Verantwortlichen zu wechseln.
Es geht wild zu, das Militär ist eine ständige Spielmassen und der dominikanische
Diktator Trujillo entsandte 1957 seinen Geheimdienstchef Johnny Abbes Garcia zur
Beseitigung Castillo Armas'. Diese Beiden verewigte Vargas Llosa schon vor 20 Jahren in
seinem Welterfolg Das Fest des Ziegenbocks. Wobei er Abbes Garcia bereits da
als Kröte an Leib und Seele bezeichnete, und auch hier gebärdet sich der
Sadist derartig abartig, dass er nur deshalb als glaubhaft akzeptiert werden kann, weil er
genau so historisch verbürgt ist.
Guatemala war der Startschuss für eine unheilvolle Entwicklung, die zu aufaufhörlichen
blutigen Wirren in ganz Mittel- und Südamerika führte. Stets hatte die CIA ihre
schmutzigen Finger mit im Spiel und bei aller Manipulation begriffen die US-Drahtzieher
nie wirklich, dass sie die sozialistischen Gegenbewegungen bis hin zu Kuba und Venezuela
damit erst anheizten.
Mario Vargas Llosa, als ausgewiesener Liberaler des Kommunismus unverdächtig, macht all
dies auf brillante Weise deutlich. Fazit: ein meisterhaftes Spätwerk, das ihm spürbar
ein Anliegen war. Und ein literarischer Genuss, der allerdings einiges an
politisch-historischem Interesse voraussetzt.
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