HECHT/NEIE: „DIE NIBELUNGEN“


Jeder halbwegs gebildete Deutsche kennt das berühmteste und wirkmächtigste Heldenepos „die Nibelungen“. Doch wer hat wirklich das in überladener und altbackener Sprache verfasste Hohelied von Ritterehre und Ritterschmach aus dem Mittelalter um 1200 in seiner überlieferten Form gelesen?!
Da war die frische und freche Neufassung, mit der Gretel und Wolfgang Hecht 1969 die Geschichte vom Superhelden Siegfried entschlackten und zu einem zeitgemäßen Lesevergnügen machten, ein Segen. So dargestellt, darf man sich den Edlen aus Xanten als eine Mischung aus Zehnkampfweltmeister und James Bond vorstellen.
Quasi unbesiegbar, hat er nur zwei Schwachstellen: als er nach dem Sieg über einen Drachen in dessen Blut badet und dadurch unverwundbar wird, fällt ein Lindenblatt zwischen seine Schultern und schafft die einzige heikle Stelle an seinem Körper. Und dann ist da die rettungslose Verliebtheit in die Königstochter Kriemhild, der Überlieferung nach wohl ein unwiderstehlich schönes Supermodel des Mittelalters.
Wie Siegfried sie auf gewaltigen Umwegen einschließlich siegreicher Schlachten schließlich mit List und Tücke für sich gewinnt, würde jeden Hollywood-Reißer zieren. Zumal es neben viel Schwerterkampf ja auch noch Fantastisches wie eine Tarnkappe und den sagenhaften Schatz der Nibelungen gibt. Und nicht zu vergessen das bärenstarke Superweib Brünhilde und den skrupellosen Ritter Hagen von Tronje.
Wie das alles monumental aufschäumt und nach Siegfrieds heimtückischer Ermordung zu einem von finsteren Intrigen durchzogenen Rachefeldzug wird, das ist – zeitgenössisch ausgedrückt – ganz großes, wild bewegtes Kino. Was die jetzt vorliegende Neuausgabe in der Insel-Bücherei aber endgültig zu einem Juwel für jedes Bücherregal macht, ist die hinreißende Illustrierung durch Burkhard Neie.
Höchst expressiv fesseln die Bilder in dunklen, kraftvollen Farben mit einer Melange aus Elementen von Jugendstil, Comic und Scherenschnitt. Diese Bilder bringen eine geradezu surreale Magie in die ohnehin schon plakativ erzählte Sage. Fazit: ein alter Schatz, faszinierend für Leser unserer Zeit aufgearbeitet.

# Gretel und Wolfgang Hecht/Burkhard Neie: Die Nibelungen; 152 Seiten, farbig ill.; Insel Verlag, Berlin; € 16

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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