KAI HAVAII: „RUBICON“


Kai Havaii ist seit den 80er Jahren als Sänger der Rockband „Extrabreit“ bekannt und machte auch Karriere als Fernsehautor. Nun legt er seinen ersten Roman vor und es sei vorweg gesagt: ein mordsmäßiges Debüt.
„Rubicon“ lautet der Titel und dieser kleine Fluss bezeichnet in der Geschichte die Linie, nach deren Überschreiten es einst kein Zurück mehr für Cäsar gab. In Havaiis Thriller ist es die Linie, die Carl Overbeck schicksalhaft überschreitet. Was ihm dabei blühen wird, deutet der Einstieg an, wo er von Killern gejagt wird. Dann jedoch geht das Geschehen ins Jahr 2010 zurück und Carl ist als exzellenter Scharfschütze bei den deutschen ISAF-Truppen in Afghanistan.
Realistisch und absolut authentisch wird der aufreibende Alltag vor Ort geschildert, die allgegenwärtige Lebensgefahr, das spartanische Leben im Camp. Und dann ein Einsatz, bei dem die deutsche Patrouille durch Verrat in einen Hinterhalt gerät und trotz kluger Vorbereitungen erhebliche Verluste erleidet. Carl und sein kongenialer Teamkumpel Ebby hatten sich als Sniper postiert und es gibt faszinierende Schilderungen ihres Tuns, wie man es so detailliert und zugleich spannend wohl selten zu lesen bekommt.
Carl kann mit seinen Abschüssen zwar Schlimmeres verhindern, doch Ebbys Verwundung zwingt den Harley Davidson-Liebhaber auf immer in den Rollstuhl. Doch auch Carl hat sich bei seinem nun dritten Afghanistan-Einsatz endgültig solch tiefgehende, wenngleich innere Verletzungen eingefangen, dass es ihn in der braven – aber für seine Belange auch ignoranten – Provinz aus der Bahn wirft. Die Dienstzeit beendet, fremdelt er derartig mit dem normalen Leben, dass sich Ehefrau und Tochter davonmachen.
Antriebslos und frustriert vegetiert er wochenlang vor sich hin, trinkt zu viel und bringt sich durch heimliches Zocken auch noch um die Ersparnisse aus den Auslandseinsätzen. Da läuft ihm bei einem schlecht bezahlten Aushilfsjob als Security ein Jugendfreund über den Weg: Michele Aresi, Sohn eines Bauunternehmers aus der alten Heimat im Ruhrgebiet. Dem geht es blendend und damit steigt die Geschichte um auf die der N'drangheta, die mächtigste aller italienischen Mafia-Gruppierungen. In der nämlich zählt Michele zu den Aufsteigern.
Und als Carl nun ruiniert ist und sogar an Selbstmord denkt, ködert ihn Michele: „Du bis ein staatlich zertifizierter Killer.“ Genau einen solchen braucht die „Familie“ gerade dringend, denn gegen jedes Schweigegelübde will ein hohes Mitglied als Kronzeuge auspacken. Da droht eine Katastrophe, der Verräter aber wird geradezu festungsmäßig von der Polizei abgeschirmt.
Kai Havaii gelingt es hervorragend, den Schritt Carls vom Vorzeigesoldaten zum gut bezahlten Killer im Auftrag der Mafia glaubhaft zu machen. Doch Carl hat damit eine rote Linie überschritten, von der es kein Zurück mehr gibt. Es folgen weitere Aufträge, bis das Schicksal in Gestalt einer Frau auftritt, in die sich Carl sofort verliebt. Und die Lebensgefahr bedeutet, denn diese Roberta ist Investigativjournalistin und sammelt soeben Material für ein brisantes Buch über die Mafia.
Mehr sei hier nicht verraten über diesen Thriller, der viel Action bietet aber eben auch spannende Einblicke sowohl in den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr wie auch in die inneren Verhältnisse der Mafia. Doch die Charaktere sind gleichfalls brillant wie glaubhaft gezeichnet und geben dem Roman viel Tiefe. Fazit: ein bis zuletzt packendes Stück Spannungsliteratur, das zudem dringend verfilmt gehört.

# Kai Havaii: Rubicon; 572 Seiten, Klappenbroschur; Rütten & Loening Verlag, Berlin; € 14,99

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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