MEG WOLITZER: DIE
ZEHNJAHRESPAUSE
Meg Wolitzer wurde bereits vielfach ausgezeichnet für ihre gesellschaftskritischen
Romane, die sich insbesondere mit der Stellung der Frau befassen. Eine besonders
interessante Versuchsanordnung von geradezu exemplarischen Qualitäten bietet nun
Die Zehnjahrespause.
Aus unerfindlichen gründen hat der Roman um vier Frauen aus der gehobenen New Yorker
Mittelschicht erst mit elfjähriger Verspätung zu einer deutschsprachigen
Veröffentlichung gebracht. Man merkt es ihm bei allen Qualitäten an, denn manches in der
Stellung von Frauen in der modernen Gesellschaft und insbesondere hinsichtlich der
Vereinbarkeit von Beruf und Mutterschaft hat sich seither deutlich weiterentwickelt.
Hier nun sind es vier Freundinnen, alle Anfang 40 und Mütter, die sich seit Jahren fast
täglich im Café The Golden Horn treffen und austauschen. Amy war Anwältin,
bis sie ihren Sohn bekam. Roberta befand sich bis zu ihrer Mutterschaft als Malerin auf
dem Weg zu anerkannten Künstlerin. Jill, beste Freundin Amys schon aus Studententagen,
hatte mit ihrem Ehemann nach endlosen erfolglosen Versuchen einer Schwangerschaft ein
Mädchen aus einem sibirischen Waisenhaus adoptiert, für das ihr Muttergefühle jedoch
nicht so recht gelingen wollen.
Und dann ist da noch Karen, Tochter chinesischer Einwanderer, deren Kind wie die der
Freundinnen auf eine reichlich teure Privatschule ging. Alle Vier hatten sie selbst
Mütter mit mehr oder weniger starker feministischer Prägung und denn waren sie
wegen ihrer Kinder zu Nur-Hausfrauen geworden. Freiwillig und bewusst. Doch
nun sind die Kinder Viertklässler und werden immer selbständiger.
Im Gegensatz zu ihren Müttern, die ins Grübeln verfallen, wie es denn weitergehen soll.
Alles hatte sich nur um Erziehung und Familie gedreht und irgendwie hatten sie diese zehn
Jahre Fortentwicklung verschlafen. Was Amy am krassesten bemerkt, als sie einen
Bewerbungsversuch bei einer Anwaltskanzlei macht und erkennen muss, dass mehr als nur die
allumfassende Digitalisierung an ihr vorübergegangen ist.
Während auch Roberta und Jill ihre Anschlussprobleme für die Wiederaufnahme einer
eigenen Karriere haben, scheint nur Karen unbeschwerter. Als ehemalige Finanzanalystin
hatte sie immer mal wieder ihren Marktwert getestet, allerdings der daraus entspringenden
lukrativen Angebote angenommen. Dabei hätten all Vier das Prinzip der Vereinbarkeit von
Kind und Karriere von ihren Müttern erlernen können. Wie die in den 60er Jahren für
entsprechende Fortschritte gekämpft hatten, erzählen eingestreute Kapitel aus deren
Leben.
Meg Wolitzer hat all das präzise beobachtet und einen Roman daraus gemacht, der zwar ganz
und gar Frauen aus wohlsituierten Kreisen New Yorks und deren Lebensumstände
thematisiert. Vom Grundsatz her aber trifft sie exemplarisch ähnliche Situationen
moderner Frauen in vergleichbaren Gesellschaften. Das mag zwar relativ unspektakulär im
aktiven Geschehen sein und wirkt doch allgemein authentisch.
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