DARREN McGARVEY: „ARMUTSSAFARI“


Darren McGarvey wurde 1984 in einem Problemviertel der schottischen Großstadt Glasgow geboren, wo er in einer desolaten Familie unter schwerer Vernachlässigung und Drangsalierung aufwuchs. Gewalttätig, alkohol- und drogensüchtig, zeitweise obdachlos, arbeitete er sich mühsam aus dem schier hoffnungslosen Prekariat mit eisernem Willen heraus und schaffte den unwahrscheinlichen Weg bis zum DJ, Radiomoderator und einer Karriere als Rapper „Loki“.
Nun hat er ein Buch unter dem Titel „Armutssafari“ geschrieben, das weniger ein Roman als eine indirekte Autobiografie einschließlich scharfer Auseinandersetzung mit den erlebten Verhältnissen und dem Umgang von Behörden und Politik damit ist. Als erstes aber postuliert er: „Leute wie ich schreiben keine Bücher.“
Warum er es dennoch tat, erklärt sich in dem eigentlichen Auslöser für sein Schreiben, der auch das gesamte Buch prägt: der verheerende Großbrand im Londoner Wohnblock Grenfell Tower am 14. Juni 2017. Wie man im Prekariat aussichtslos gefangen sein kann und mit größter Wahrscheinlichkeit darin untergeht, beschreibt hier einer so authentisch und intensiv, der wahrlich weiß, wovon er spricht. Und er lässt schon in der Widmung keinen Zweifel daran, inwieweit dieses hart zu lesende Stück Literatur als Fiktion einzuordnen ist: „In verschlüsselter Form ist in diesem Buch alles enthalten, was ich in 33 Jahren über das Leben gelernt habe.“
Die Mutter, die sich selbst im Angesicht ihrer Kinder Drogen spritzte, starb mit 36 an Leberzirrhose. Der Autor war da 17 und hatte bis dahin durchweg ein völlig kaputtes Sozialverhalten erlebt. Ein öffentlich gefördertes Wohnprojekt für Jugendliche sorgte nur vorübergehend für eine gewisse Erholung, dem aber wieder Absturz, Alkohol- und Drogenmissbrauch und erneute Obdachlosigkeit folgten.
Vielfach sind die Schilderungen nur schwer zu ertragen, wenn die Tage der „Abgehängten“ und die Lebensverhältnisse in der sogenannten „Unterschicht“ dargestellt werden. Den ewigen Kreislauf von Abwärtsspiralen und Hilfsprogrammen der von McGarvey gegeißelten „Armutsindustrie“ - deren Ausgangspunkt er maßgeblich in der von Premierministerin Margaret Thatcher Anfang der 80er Jahre durchgedrückten neoliberlaen Ära verankert – kritisiert er ausführlich und mit der Kompetenz des einst selbst Betroffenen.
Fazit: ein ebenso schwer erträgliches wie wichtiges Buch, zumal es nicht speziell britisch sondern eher exemplarisch anmutet. Und den Gutmeinenden, die mit immer neuen Programmideen weiße Salbe auf derartige gesellschaftliche Miseren schmieren, hält der Autor gallig entgegen: „Ich glaube nicht mehr daran, dass Armut ein Problem ist, das unsere Politiker lösen können.“

# Darren McGarvey: Armutssafari (aus dem Englischen von Klaus Berr); 318 Seiten, Klappenbroschur; Luchterhand Literaturverlag, München; € 15

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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