GIULIA BECKER: „DAS LEBEN IST EINES DER HÄRTESTEN“

 
Giulia Becker ist ein Comedy-Star und hat es schon früh sogar ins Autorenteam Jan Böhmermanns geschafft. Als sie dann ihren ersten Roman vorlegte, geriet der so gut, dass sie dafür auf der lit.cologne 2019 dafür den Debütpreis dieser Kölner Buchmesse erhielt.
Schon ihre Oma habe bei aufkommenden Depressionen immer wieder festgestellt: „Das Leben ist eines der härtetsne“. Und genau das machte Becker zum Titel ihrer Geschichte um ein Quartett sehr unterschiedlicher Menschen, die nicht wirklich außergewöhnlich sind, denn solche Typen gibt es wirklich mit ihren Macken und den Fallstricken ihres Lebens, deren Opfer sie ziemlich unausweichlich werden.
Ganz vorn an steht da Silke Möhlenstedt, der vor mittlerweile 27 Jahren ein einziger kurzer Fehlgriff die gesamte Lebensplanung versaute. Sie saß im Zug, sie war genervt von Tiraden ihres Mannes und rein temperaturmäßig überhitzt – keine Gründe, die für das Ziehen der Notbremse anerkennbar wären. Zumal es auch noch Verletzte gab. Und für sie Jobverlust, Scheidung und Schulden bis ans Lebensende.
Eine Abmilderung der Zahlungen konnte sie nur durch die freiwillige Aufnahme von Sozialstunden bei der Bahnhofsmission erreichen. Also ist die fürs normale Leben ohnehin viel zu Gutmütige quasi nur noch für andere Leute da. Ganz im Gegensatz zu Renate, ihrer besten – und einzigen – Freundin. Freizügig, chaotisch und zuweilen recht trinkfreudig, hat sie eine Schwäche fürs Teleshopping. Und jetzt einen furchtbaren Verlust erlitten, denn ihr winziges Hundchen ist ersoffen.
Ein viele größeres Exemplar sorgte dagegen bei Willy-Martin dafür, dass er zuhause Reißaus nahm und auf Silkes Sofa nächtigt. Beim Online-Kniffeln verliebte er sich in Kerstin. Als die unversehens bei ihm einzieht, tut sie dies samt ihrem ungebärdigen Golden Retriever. Trotz Willy-Martins tief verwurzelter Abneigung gegen Hunde. Und dann wäre da noch Frau Goebel, 97 Jahre alte Wohnungsnachbarin Silkes, die im Wortsinne auf dem letzten Loch pfeift. Und einen letzten Wunsch hat: einmal das Badeparadies „Tropic Islands“ erleben.
So brechen diese vier illustren Durchschnittsbürger aus dem münsterländischen Borken in Willy-Martins Taubentransporter auf nach Brandenburg. Ein Trip, der zwar Frau Goebel glückliche Stunden beschert, ansonsten aber keinerlei Probleme löst oder wenigstens mildert. Hier ist gewissermaßen der Weg das Ziel, es gibt keine wirklichen Helden und kein herzerweichendes Happyend.
Giulia Becker überzeugt mit ihren präzisen Beobachtungen und Charakterzeichnungen und sie behandelt ihre Protagonisten mit Witz und Sympathie. Fazit: ein Alltagsroman mit skurrilen Anflügen und einem rundum freundlichen Lesevergnügen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.

# Giulia Becker: Das Leben ist eines der härtesten; 222 Seiten; Rowohlt Verlag, Hamburg; € 20

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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