HERMAN MELVILLE: TYPEE
Wenn sich nun der Geburtstag von Herman Melville (1819-1891) zum 200. mal jährt, ist sehr
viel von seinem Roman Moby Dick die Rede, der als eines der größten
literarischen Werke der Neuzeit gilt. Zu wenig Beachtung findet dagegen sein Debüt
Typee von 1846, das seinen damaligen Ruhm als Schriftsteller begründete und
ein großer Erfolg war.
Verfasst hatte ihn der junge Amerikaner nach seiner abenteuerlichen Reise in die Südsee
mit dem Walfangschiff Acushnet von Anfang 1841 bis Oktober 1844. Sehr bildhaft
und fesselnd schildert er da als Ich-Erzähler Tom, wie er nach freudlosen Monaten auf dem
Schiff mit seinem Kameraden Toby auf die Insel Nuku Hiva desertiert.
Sie erleben Wochen bei den Eingeborenen auf dieser Marquesas-Insel, voller fremder
Bräuche und wunderlicher Sitten, immer umgeben von schönen freizügigen Frauen und auch
eigenwilligen Häuptlingen. Doch die so unterschiedlichen Gebräuche fernab jeder
Zivilisation können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch kriegerische
Rivalitäten zu einem anderen Stamm gibt.
Schlimmer noch: Tom und Toby sind nicht wirklich Gäste dieser Typee sondern deren
Gefangene. Und dieser Stamm ist angeblich ein Kannibalenvolk. Als da Toby eines Tages
verschwunden ist, fürchtet Tom um sein Leben und kann nur noch Reißaus nehmen.
Aus den vier Wochen, die Melville tatsächlich auf dieser Insel verbrachte, macht er im
Roman Monate. Einiges war offenbar Erfindung, anderes dagegen durch erhebliche Einwände
der späteren Verleger quasi entschärft worden. Trotzdem erhielt das exzellente geratene
Buch teils heftige Kritiken, denn Melville beschrieb manche Sitten und Schönheiten
authentischer, als die Moralvorstellungen braver Christenmenschen zu jener Zeit ertragen
wollten.
Allerdings hatte der scharfsinnige Autor außerdem auch manch herbe Zivilisationskritik an
der Kolonialisierung und Missionierung eingeflochten und unter anderem gefordert:
Zerstört das Heidentum, aber nicht die Heiden. - Die ganze Brillanz dieses
Debütromans wird nun dank der Neuübersetzung durch Alexander Pechmann herausgeschält.
Zugrunde gelegt hat er die letzte englischsprachige Fassung von 1996, die erstmals auch
den Text der fragmentarisch erhaltenen Urfassung sowie die in den gedruckten Versionen
gekürzten Passagen enthält, wie der Übersetzer in seinem Nachwort verdeutlicht.
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