LAWRENCE OSBORNE: „WELCH SCHÖNE TIERE WIR SIND“


Der britische Erfolgsautor Lawrence Osborne gehört zu den besten Reiseschriftstellern und wenn er dann doch wieder einen Roman schreibt, spielt der an bestens studierten Schauplätzen. Wie jetzt auf der griechischen Insel Hydra, einst unter anderem Refugium für den berühmten Singer-Songwriter Leonard Cohen.
„Welch schöne Tiere wir sind lautet der Titel und Osborne ließ sich dazu von einer Passage der Odyssee inspirieren. Im Mittelpunkt steht die 24-jährige Naomi, Tochter des begüterten Jimmie Codrington. Der 70-Jährige macht sein Geld vor allem mit Kunstgeschäften und wohnt in der fein hergerichteten Villa, in der einst Cohen lebte, mit seiner zweiten Frau, der deutlich jüngeren Griechin Phaine.
Naomi kennt die Insel aus früheren Urlauben aus der Zeit, als ihre Mutter noch lebte. Erstmals zum Sommer wieder hergekommen ist sie offenbar, weil sie nachdem ihr kürzlich als Rechtsanwältin gekündigt worden war. Allerdings langweilt sie sich ungemein und das Treiben von Jimmie und Phaine mit all den anderen reichen ausländischen Müßiggängern und Bohemiens ödet sie an.
Als sie der einige Jahre jüngeren Samantha begegnet, Tochter wohlhabender US-Touristen und ähnlich schön wie sie selbst, lockt die recht Naive sogleich in ihre Herumtreiberei. Und sie entdecken auf ihren Wanderungen über die Insel einen Gestrandeten, den syrischen Flüchtling Fouad.
Naomi kümmert sich um den jungen, offenbar aus der Bildungsschicht stammenden jungen Mann. Doch ihre Langeweile und ihr Überdruss sind viel zu groß, als dass sie das Versorgen mit Kleidung, Nahrung und Unterkunft und schließlich auch ein kurzes Techtelmechtel mit ihm dauerhaft zufriedenstellen könnten.
Und dann kommt der Moment, in dem sie ihn zu einem verrückten Kick anstiftet: „Es wäre klug von dir, darauf einzugehen. Ich gebe dir ein neues Leben. So einfach ist das.“ Das verantwortungslose Ansinnen endet jedoch nicht nu8r für Fouad fatal. Wie von ihr als Streich gegen den verachteten Vater gedacht, bricht der Syrer in die Villa ein.
Dabei wird er aber unerwartet von den Codringtons überrascht und das Ganze wird zu einem Alptraum mit tödlichen Folgen. Bei dem auch das griechische Hausmädchen Carissa eine eigentümliche Rolle als Eingeweihte spielt, denn in ihren Augen waren all diese reichen auslkändischen Urlauber Barbaren und Eindringlinge.
Während dem Gestrandeten nur die erneute Flucht bleibt, kommt es für die Anstifterin in ihrer hintergründigen Boshaftigkeit ganz und gar nicht zur griechisch-tragödienmäßigen Strafe. Es ist die niederträchtige Pinte dieses bei allen Thrilleransätzen nie reißerisch aufschäumenden Spannungsromans, dass die Schuldbeladene sich kein bisschen als solche zu empfinden gedenkt und sogar noch in den Genuss eines Erbes mit paradiesischem Flair gelangt.
Eine gerissene Idee, die trotz dieser Abgründe fesselt und begeistert, denn Osborne ist zudem ein eleganter Stilist, der eine einzigartig flirrende Szenerie schafft und eindrucksvolle, vielschichtige Charaktere zu zeichnen versteht.

# Lawrence Osborne: Welch schöne Tiere wir sind (aus dem Englischen von Stephan Kleiner); 335 Seiten; Piper Verlag, München; € 22

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: BEL 1411 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de