KLAUS MANN: „MEPHISTO“


Kein anderer deutschsprachiger Roman hat eine solch verquere Geschichte hinter sich wie Klaus Manns „Mephisto“. Mal verboten, mal konspirativ auf Umwegen herausgebracht und trotz eines späteren Verbots auf ewig ein Bestseller geworden.
Nun gibt es diesen Kultroman sogar neu in einer sorgfältig edierten Schmuckausgabe. Das Verbot, 1966 durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochen, weil er juristisch eine Ehrverletzung des berühmten Schauspielers und Theaterintendanten Gustav Gründgens darstelle, gilt noch heute. Nach dem Tod auch des Erben gibt es jedoch keinen Kläger mehr. Allerdings gibt es auch keine noch höhere Instanz, um das Urteil wieder aufzuheben.
Um so verdienstvoller ist diese Neuausgabe des Werkes, zu dem Mann im Exil durch seinen Kollegen Hermann Kesten angeregt wurde. Zentrale Figur sollte Gründgens sein, mehrfach Bühnenkollege des Autors und für kurze Zeit durch die Ehe mit Erika Mann sogar sein Schwager. Der hatte sich – ohne politische Überzeugung, sondern einfach nur aus zynischem Opportunismus – den Nazis angedient und als besonderer Günstling Hermann Görings ganz große Karriere gemacht.
Doch Gründgens hatte damit nicht nur alle früheren Ideale verraten und sich zum „Affen der Macht“ gemacht, es kam auch noch die dauerhafte Hassliebe Manns zu dem narzisstischen Mimen mit dem „aasigen Gesicht“ hinzu. Und so floss dem Autor innerhalb weniger Monate eine Gesellschaftssatire von Feinsten aus der Feder, die er selbst als „sehr boshaft gehässig“ bezeichnete.
Wie sehr das Werk ein Schlüsselroman war mit zahlreichen kaum verhüllten Protagonisten wie u.a. Marlene Dietrich und Thomas Mann, zeigte insbesondere jedoch dieser Karrierist und Günstling des Nazi-Bonzen im Mittelpunkt. Vor allem aber: diesen Hendrik Höfken kannte Klaus Mann als echte Person nur zu gut aus nächster Nähe – der war keine schriftstellerische Erfindung sondern ganz und gar echt.
Der Gipfel der stilvoll ausgeschütteten Galle war allerdings der Titel. Hatte Kesten ihm dafür „Der Intendant“ vorgeschlagen, fand Mann einen ungleich ätzender verletzenden mit „Mephisto“, denn jedermann wusste, dass dies die genial verkörperte Paraderolle des charismatischen Gründgen war. Da war die Abschlussbemerkung des Autors sogar noch ein raffinierter zusätzlicher Affront gegen den für seine Prinzipienlosigkeit in dunklen Zeiten Geschmähten: „Alle Personen dieses Buches stellen Typen dar, nicht Porträts.“
Doch auch ohne Nazis hatte das Buch zunächst keine Chancen, denn wegen der neuen Nachkriegskarriere von Gründgens lehnte der Verlag eine Neuerscheinung ab. Als der SPIEGEL dann 1949 den Schauspieler auch noch mit einer Titelgeschichte adelte, schied Klaus Mann neun Tage später aus dem Leben.
Wie das Meisterwerk erst Jahre später über die DDR den Lesern zugänglich, in der Bundesrepublik aber für alle Zeiten verboten und 1981 dennoch als Buch und Verflimung zum Kult erwuchs – das ist beinah ein Roman für sich. Diese Neuausgabe, die ganz der Urfassung von 1936 folgt, ist ein zeitloses Juwel der Literatur und das kluge Nachwort von Michael Töteberg setzt dem Hochgenuss noch ein Sahnehäubchen auf.

# Klaus Mann: Mephisto; 416 Seiten; Rowohlt Verlag, Hamburg; € 20

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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