MOHAMMED HANIF: „ROTE VÖGEL“


In seinem neuen Roman „Rote Vögel“ stellt Erfolgsautor Mohammed Hanif mit Major Ellie einen Akteur in den Mittelpunkt, dessen Metier er aus eigener Berufserfahrung kennt: er war einst selbst Kampfpilot bei der pakistanischen Luftwaffe.
Ellie allerdings fliegt für die US Air Force einen Kampfbomber über einem namentlich nicht benannten Land im Mittleren Osten, das vermutlich der Irak sein soll. Als der Amerikaner jedoch über der Wüste abstürzt, kann er sich nur ganz knapp retten. Obendrein stellt sich die Notfallration des 65 Millionen Dollar teuren Vogels als so mickrig heraus, dass er tagelang darben muss und erst dann halbtot von dem Teenager Momo gerettet wird.
Der 15-Jährige, der mit einem zurückgelassenen Militärjeep herumfährt, bringt Ellie in sein Flüchtlingslager – ausgerechnet jenes Camp, das Ellie bei seinem Einsatz hätte bombardieren sollen. Sein durchgeknallter Chef Colonel Slatter hatte es wegen mutmaßlicher Verdächtiger ausradieren wollen, weil sich dort böse Menschen verstecken: „Wir machen es platt und behaupten, es war ein unbedauerliches Versehen.“
Momo wiederum sieht in dem Piloten eine Chance, einerseits die seit dem Abzug der US-Truppen brachliegenden Geschäfte neu anzukurbeln und andererseits über ihn seinen verschwundenen älteren Bruder wiederzufinden. Auf jeden Fall weiß der lagergestählte Teenager, dass der Bruchpilot zusammen mit „Lady Flowerbody“, einer jungen überkandidelten Mitarbeiterin der Entwicklungsorganisation USAID, für seine Zwecke Gold wert ist.
Um das irrwitzige Szenario endgültig zur satirischen Farce zu machen, gesellt sich zu Ellie und Momo als weiterer Ich-Erzähler noch Mutt, ein philosophierender Hund in einer Sinnkrise. Doch diese bitterböse Tragikomödie ist nicht etwa ein gelungener Witz, sondern eine ebenso gallige wie hellsichtige Abrechnung mit dem Krieg und seinen Handlangern – so stellt Ellie seine tonnenweisen Bombardements inklusive ungezählter ziviler Kollateralschäden zu keinem Zeitpunkt in Frage.
Der geschwätzigen Entwicklungshelferin aber wird ebenfalls der Heiligenschein verbogen, als ihr der Major vorhält, dass erst Bomben wie die seinen die weltweite Mitleidsorgie für die Vertriebenen anleiere. Und Momo wiederum sieht die Folgen als cleveres Geschäftsmodell: „Ich kriege PTBS, sie bekommt Tagegeld in US-Dollar.“
Das ist starker Tobak in direkter, oft grober und ganz und gar respektloser Sprache. Fazit: selten wurde mit so viel Intelligenz und Biss über die Untiefen einer krisengeschüttelten Welt und das Verwehen jeglicher Moral geschrieben.

# Mohammed Hanif: Rote Vögel (aus dem Englischen von Michael Schickenberg); 317 Seiten; Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg;

€ 22

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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