EUGENE CHIROVICI: DAS ECHO
DER WAHRHEIT
Mit Das Buch der Spiegel hatte der rumänischstämmige Schriftsteller Eugene
Chirovici seinen internationalen Durchbruch. Doch bereits einige Jahre vorher schrieb der
in seiner Geburtsheimat schon lange erfolgreiche Autor die Erstfassung von Das Echo
der Wahrheit.
Nach vielen Überarbeitungen liegt dieser Roman nun vor und auch hier erweist sich
Chirovoci als ein Meister labyrinthischen Erzählens. Dabei erscheint die Geschichte
eingangs einfach nur als ein spannendes Psychospiel, bei der der erfolgreiche New Yorker
Psychiater Dr. James Cobb als Ich-Erzähler von einer Begegnung berichtet, die ihn aus
Neugier zu einem sehr speziellen Auftrag führt.
Nach einem Vortrag spricht ihn, der unter anderem für seine Erfolge bei der Anwendung der
Hypnose ist, der Multimillionär Josh Fleischer an und engagiert ihn zur Aufarbeitung
eines nie überwundenen Traumas. Der 64-Jährige hat Leukämie im Endstadium und ködert
Cobb mit einem dicken Honorar. Auf seinem Landsitz in Maine soll der Psychiater mittels
Hypnose die wirklichen Umstände einer schweren alten Schuld aufzuklären versuchen.
Fleischer hatte seine reichen Eltern früh verloren und dann als junger Mann locker
studiert. 1976 lud ihn sein vormaliger Mitbewohner an der Universität, der aus prekären
Verhältnissen stammende und recht verkorkste Abraham Hale ein, zu ihm nach Paris zu
kommen. Abe hatte dort ein Stipendium bekommen und die Beiden wohnen nun einige Monate
zusammen. Der unstete und immer chaotischer werdende Abe macht das Zusammenleben zunehmend
zur Zumutung und dann kommt Sprengstoff in ihren Alltag: die schöne Simone.
Während Josh und Simone einander näherkommen, tobtz der ebenfalls in sie verliebte Abe
schier vor Eifersucht. Und es kommt zu einer mysteriösen nächtlichen Begegnung der Drei
in einem luxuriösen Hotelzimmer. Es wird heftig diskutiert, es wird getrunken und
schließlich findet Josh Simone im Badezimmer brutal erschlagen liegt sie in der
Badewanne. Hals über Kopf verschwinden Abe und Josh getrennt voneinander und der
Prolog deutet es an es gelingt ihnen die Flucht aus Frankreich.
Nun im Angesichte des Todes quält Josh die Ungewissheit, was damals wirklich geschehen
ist. Sein Filmriss geht so weit, dass er nicht einmal ausschließen kann, selbst schuld am
Tod der so geliebten Simone zu sein. Damit beginnen zwei fesselnde Passagen über die
Anwendung der Hypnose zur Aufklärung dieses Verbrechens.
Die Versuche schlagen jedoch fehl und Josh hält weitere physisch nicht mehr aus. Das
Geheimnis bleibt ungelöst und wenige Wochen später erliegt Josh seinem Leiden. Doch Josh
bedankt sich im Nachhinein bei Cobb mit einer Gabe, die er durch seine weitreichenden
Beziehungen an sich bringen konnte. Er hatte sich vor dem Engagement des Psychiaters
intensiv mit dessen Vorleben befasst und eine dunkle Stelle, das eigene Trauma des
Junggesellen entdeckt: der Selbstmord einer Patientin.
Diese Julie hatte schon als junge Frau erste Suizidversuche unternommen, aus der Beziehung
zwischen ihr und Cobb aber war mehr geworden. Was ohnehin als unethisch gegolten hätte,
wäre es publik geworden, verfolgt den angesehenen Psychiater quälend, zumal er weder
weiß, ob es auch von ihrer Seite mehr als nur hinreißender Sex war und ob er
ihren Freitod hätte verhindern können.
Fleischers Geschenk gibt ihm Gewissheit und wühlt ihn zugleich aufs Heftigste auf, denn
es ist der von Julies Eltern einst unterdrückte Abschiedsbrief an ihn. Er beweist ihre
Liebe aber auch seine Chancenlosigkeit gegen ihren tiefsitzenden Drang, ihr Leben
frühzeitig selbstbestimmt zu beenden. Beides, das Aufrühren dieser schmerzlichen
Vergangenheit wie auch der Misserfolg bei Fleischers Suche nach der Wahrheit lassen Cobb
nicht mehr zur Ruhe kommen und er setzt sämtliche im zur Verfügung stehenden Hebel in
Bewegung, um den tatsächlichen Geschehnissen um Fleischer und Simone auf die Spur zu
kommen.
Und er verfängt sich regelrecht in einem Netz der Wahrheiten und Lügen. Fast nichts hat
Bestand und jede Version scheint real, denn so intensiv Erinnerungen auch sein mögen, so
fragwürdig sind sie in ihrer Glaubwürdigkeit. Konkret ist Fleischers Leukämie wie auch
der Suizid Abes in einer Anstalt für geistesgestörte Kriminelle, alles Andere dagegen
ist grandios verwinkelt und das gilt bis zuletzt auch für das, was im Oktober 1976 in
Paris mit Simone geschah.
Das ist raffiniert ersonnen und sowohl die immer neu erscheinenden Personenbilder der
zentralen Protagonisten wie auch die feine und exzellent übersetzte Prosa sorgen für
eine magische Sogwirkung und ein faszinierendes Lesevergnügen auf erlesenem Niveau.
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