PRETI TANEJA: WIR, DIE WIR
JUNG SIND
Wenn ein weit verzweigter Konzern weit mehr als nur ein milliardenschweres
Familienunternehmen sondern quasi ein eigenes Reich ist und sein absoluter Herrscher ans
Abtreten denkt, dann kan ein Generationenwechsel drohen, der Shakespeare'schen Tragödien
gleichkommt.
Eben diese Vorgabe macht die indisch-stämmige britische Menschenrechtsaktivistin und
Journalistin Preti Taneja für ihren Debütroman Wir, die wir jung sind. Der
König dankt ab, seine drei Töchter sollen sich das Erbe teilen und die beiden Söhne des
Partners des Alten sollen ebenfalls bedacht werden. Das klingt nicht nur nach Shakespeares
King Lear, es ist eine moderne Adaption dieses Dramas.
Das Besondere aber bieten Schauplatz und Protagonisten, denn der alte Patriarch heißt
Devraj Bapuji, sein Reich wird allgemein nur The Company genannt und es
beherrscht wichtige Teile der Wirtschaft Indiens. Mit all der Brutalität,
Skrupellosigkeit und zynischen Menschenverachtung des einstigen Maharadschas hat er sein
Imperium aufgebaut und grenzenlose Korruption half gegen jeden Widerstand.
Als Erben stehen an erste rStelle die 25-jährige Gargi, die viel vom eisenharten
Charakter und Geschäftssinn des Vaters verinnerlicht hat, sowie die jüngere Rhada,
ebenso narzisstisch wie verschwenderisch, die sich um die PR kümmert. Und schließlich
ist da Sita, zwar Vaters Liebling, aber eine nicht nur feministisch angehauchte
Idealistin.
Schon der Auftakt lässt Ungutes ahnen, denn da kehrt Jivan zurück, der lange verbannte
uneheliche Sohn von Devrajs mitregierendem Geschäftspartner Ravjit Singh. Während er
sich künftig um die Sicherheitsbelange des Konzerns kümmern soll, entzieht sich sein
schwuler Halbbruder und rechtmäßiger Sohn des Ravjits dem
Generationswechsel schließlich.
Doch der eskaliert immer mehr, zumal der Patriarch den Machtverzicht verkündet hat, ohne
wirklich loszulassen. Gier und Ruchlosigkeit vergiften den Findungsprozess zwischen den
Erben und wie bei Lear entmachten die beiden älteren Töchter ihren Vater. Die jüngste
dagegen, Sita, begehrt als Aktivistin gegen all das Unrfecht, für das The
Company steht, auf und wird mehr als nur verflucht vom Alten, denn der wird nun
sogar zum Volkseinpeitscher gegen die Frauen schlechthin.
Das Alles entwickelt sich immer monströser zu einem wilden, mitreißenden Gebräu aus
Machtgier, Verrat, Überlebenswillen und Untergang. Und es schaukelt sich dramatisch auf,
zumal aus den wechselnden Perspektiven der Hauptfiguren erzählt wird. Zugleich beschwört
Preti Taneja eine höchst sinnliche und authentische Atmosphäre mit spannenden Einblicken
in das Indien von heute herauf.
Fazit: ein großes, sprachgewaltiges Epos, dessen anspruchsvolles Lesevergnügen
allerdings durch die zahlreichen nicht übersetzten Hindi-Redewendungen unnötig
eingeschränkt wird.
|