ADAM ZAMOYSKI: NAPOLEON. EIN
LEBEN
Was für ein Roman war mein Leben, sagte Napoleon Bonaparte (1769-1821) gegen
Ende seines Lebens, das keine 52 Jahre währte. Um wie viel voller als bei fast jeder
anderen Persönlichkeit der Weltgeschichte es war und dass es diese wie bei kaum einem
anderen prägte und veränderte dutzende Biografien haben es beschrieben.
Zum 250. Geburtstag des Korsen in diesem Jahr legt mit Adfam Zamoyski gleichwohl ein
besonderer Kenner der Materie unter dem schlichten Titel Napoleon. Ein Leben
eine neue voluminöse Biografie vor. Mit seinen viel gerühmten Welterfolgen
1812 und 1815 hat sich der britische Historiker mit der polnischen
Herkunft zentralen Teilen des Wirkens des berühmtesten Feldherrn und Herrschers der
europäischen Geschichte gewidmet.
Das neue Buch jedoch geht einen anderen Weg als die meisten Biografien, denn Zamoyski
folgt der Vita nicht eingebettet in die von ihm geprägte Epoche und all die politischen
und militärischen Konstellationen sondern als ganz persönliche Lebenschronik. Und er
schickt in seiner Einleitung seine Absicht voraus, Napoleon eine möglichst
normale Betrachtung angedeihen zu lassen.
Er weist darauf hin, dass das Bild Napoleons als Monster durch die Geschichtsschreibung
der Sieger vorgeprägt war. Er aber wolle den Franzosenherrscher im Kontext seiner Zeit
beschreiben, denn: Napoleon war in jeder Beziehung ein Kind seiner Zeit.
Nachweislich seien die anderen europäischen Staatenlenker in ihrem moralischen Handeln
nicht besser als das revolutionäre wie auch das imperiale Frankreich gewesen.
Zamoyski bemüht sich als ohne Überhöhung seines Sujets auszukommen, zeigt allerdings
bei aller Neutralität und Objektivität auch keine Beißhemmung gegenüber Fehlern und
Untaten. Er stellt den kleingewachsenen Korsen, der zeitlebens kein fehlerfreies
Französisch sprach, ganz persönlich in den Mittelpunkt. Eingangs porträtiert er ihn als
schüchternen Kriegshelden, der eben als blutjunger General eigenmächtig die
Österreicher zu einem Friedensschluss gezwungen hat. Kaum zwei Jahre später entthront er
das regierende revolutionäre Direktorium und man verfolgt fasziniert den rasanten
Aufstieg zum Herrscher und dann Kaiser der Franzosen, dessen Selbstbewusstsein exponential
zu seinem Aufstieg wuchs.
Wie er sich stets in den Mittelpunkt stellt, zu einem an allem interessierten Besserwisser
wird, der sich in alles einmischt und nötigenfalls wie im Ägypten-Feldzug auch schon mal
selbst verbesserte Uniformen entwirft, das ist Legende Und Zamoyski unterlegt es äußerst
detailliiert bis in kleinste Finessen. Wie sich Napoleon in Krisen und dem Rausch von
Erfolgen gibt, wie er eine regelrechte Selbstinszenierung mit viel Propaganda
perfektioniert, nichts wird ausgelassen.
Natürlich gehören zu solch einer Lebensdarstellung auch die privaten Seiten und
Napoleons Liebesleben wird ausgiebig und mit viel Pikantem beleuchtet. Wobei auch
Misshelligkeiten wie die notorische Untreue seiner angehimmelten ersten Frau Josephine
ausführlich Niederschlag finden. Aber noch mehr sind die Männer im Napoleon im
Blickpunkt, sein Umgang mit ihnen wie auch sein grenzenloser Nepotismus.
Andererseits stellt Zamoyski auch den großen Neuerer heraus, der den Feudalismus
hinwegfegte, mit dem Code Cicvil ein beispielhaftes Rechtssystem einführte
und die Juden gleichstellte, während er zugleich überall neue Monarchien schuf. Eine
meisterliche, weil ungeheuer bildstarke Darstellung bietet schließlich das Schlusskapitel
um Napoleons Ende auf St. Helena, schwer krank und verbittert über die Umstände der
Verbannung.
Wenn diese überaus farbige Chronik entlang der gesamten Vita des Eroberers und stets mit
diesem als zentraler Figur mittendrin dennoch qualitativ nicht mit den großen
Vorgängerbüchern mithalten kann, dann wegen der beengten Übersicht über das Große und
Ganze, das Napoleon ja beeinflusste, beherrschte und prägte. Als markanter Mangel
erscheint im Übrigen der Eindruck manch Anekdotischen insbesondere in den privateren
Passagen, was zuweilen sogar Züge der Kolportage annimmt.
Fazit: eine interessante und sehr lebendig erzählte Biografie, die mit ungeheurem Detail-
und Faktenreichtum prunkt und Napoleon sehr plastisch porträtiert. Wegen der genannten
Einschränkungen kann dieses Werk aber nur eine Ergänzung zu normalen
historischen Biografien zu Person und Wirken des Korsen sein.
Wer dagegen auf eine schnelle kompakte allgemeine Biografie zu Napoleon setzt, dem sei die
Taschenbuchversion von Johannes Willms empfohlen. Als große Kenner der Epoche ist ihm
eine exzellent komprimierte Kurzdarstellung gelungen, die den Korsen mit seinem gesamten
Leben und Wirken in die politische Agenda Europas einbindet. Alle wichtigen Grundzüge
sind auf dem neuesten Stand der Forschung eingeflossen und ergeben ein in dieser Kürze
beeindruckendes Gesamtbild.
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# Adam Zamoyski: Napoleon. Ein Leben (aus dem Englischen von Ruth Keen und
Erhard Stölting); 863 Seiten, div. SW-Abb., C. H. Beck Verlag, München; 29,95
# Johannes Willms: Napoleon; 128 Seiten, mehrere Abb., Taschenbuch; C. H. Beck Verlag,
München; 9,95
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS) |
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