HARALD MELLER/KAI MICHEL: DIE
HIMMELSSCHEIBE VON NEBRA
Auf dem Mittelberg in Sachsen-Anhalt fanden Raubgräber 1999 einen Bronzeschatz. Erst nach
einem veritablen Krimi kam er am 23. Februar 2002 in rechtmäßige Hände, darunter die
eigentliche archäologische Sensation: die Himmelsscheibe von Nebra als älteste
Himmelsdarstellung der Menschheitsgeschichte.
Der Landesarchäologe von Sahcsen-Anhalt Professor Dr. Harald Meller spielte bei der
Erlangung des Schatzes wie auch bei dessen Erforschung und Ausdeutung eine wichtige Rolle.
Zusammen mit dem Historiker und Literaturwissenschaftler Kai Michel hat er darüber unter
dem Titel Die Himmelsscheibe von Nebra. Der Schlüssel zu einer untergegangenen
Kultur im Herzen Europas nun seinen spannenden Bericht verfasst.
Dass es in der Fundgegend eine Kultur von Aunjetitz gegeben hatte, war nicht neu in der
Archäologie. Dieser Fund aber, zu dem weitere wertvolle Beigaben wie zwei Schwerter
gehörten, überraschte mit der Erkenntnis, dass es zur Zeit von Hochkulturen wie der
Pharaonen in Ägypten und eines Hammurapi in Babylon auch im vermeintlich finsteren Herzen
von Europa schon eine derartig hochstehende Kultur gab, dass sie eine höchst komplexe
und stimmige! - Himmelsdarstellung zu fertigen imstande war.
Die Bronzescheibe in Größe einer Langspielplatte weist Himmelskörper auf, die mit einem
intelligenten Code den Sonnen- und den Mondlauf mitsamt ihrer divergierenden Laufzeiten
korrekt angibt. Die beiden Wissenschaftler vermuten, dass das komplexe Wissen aus
Mesopotamien hierher gelangte. Allerdings müsse es ja eine Art Staatswesen, ein
Königreich von Nebra, gegeben haben, denn nur ein solches habe die Möglichkeiten des
Erlangens und auch einen Nutzen als Herrschaftsinstrument davon gehabt.
Zu den durch wissenschaftliche Methoden wie metallurgischen Untersuchungen traten weitere
erstaunliche Erkenntnisse zutage. So stammt das verwendete Gold aus dem englischen
Cornwall nicht weit entfernt von stonehenge! - während das Kupfer für die Bronze
aus den Alpen kam und die Herstellungstechnik auf Mykene hindeutet. Durch weitere
Forschungen im Fundbereich fanden sich Skelette, deren genetischer Code wiederum darauf
hinwies, dass die Europäer ein Produkt vielfältiger Migration sind.
Die Ausdeutungen, Mutmaßungen und Rekonstruktionsversuche der Autoren gehen aber noch
viel weiter. Sie schreiben eine spannende Geschichte des Königreichs von Nebra samt
Herrscherwesen, Staatsbildung und sogar Fürstenmord. Und das Alles um 1600 vor Christus
und damit lange vor den Kelten und Germanen. Sie gehen detektivisch vor und arbeiten mit
sogenannten faktenbasierten Spekulationen.
Das eröffnet insbesondere für interessierte Laien einen fesselnden Kosmos voller
Überraschungen aus einer Zeit, die bis dahin als finster und primitiv erachtet wurde.
Zugleich offenbart dieser geradezu populärwissenschaftliche Stil aber auch eine Schwäche
dieses faktenreichen Sachbuchs und die Autoren machen auch nicht wirklich ein Hehl daraus,
wenn sie zum Schluss bekennen: Das ist die Schlussszene unseres Versuchs, das
Schicksal der Himmelsscheibe und des Reichs von Nebra nachzuerzählen.
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