CHRISTOPH PETERS: „DAS JAHR DER KATZE“


2015 faszinierte Christoph Peters mit dem ungewöhnlichen Krimi „Der Arm des Kraken“, in dem ein meisterhafter japanischer Auftragskiller in Berlin einen Landsmann rächte. Das Yakuza-Mitglied Yuki Ozara war von der Vietnamesen-Mafia exekutiert worden, unter der Fumio Onishi dann ein spektakuläres Blutbad anrichtete.
Diesem Spannungsroman lässt der preisgekrönte Romancier und leidenschaftliche Japan-Kenner nun mit „Das Jahr der Katze“ eine Fortsetzung folgen. Die allerdings auch für sich allein ein geschlossenes Stück Literatur darstellt, obwohl das Geschehen direkt an Onishis Untertauchen anschließt. Wobei er Nikola, die Ex von Ozawa und jetzt seine Geliebte, mit nach Tokio genommen und dort versteckt hat.
Dort aber wird er gleich von zwei Konflikten bedroht. Da sind einerseits die brachialen Verteilungskämpfe im Hintergrund, da Japan die Olympischen Spiele für 2020 zugesprochen bekommen hat. Hier liegen verschiedene Gruppierungen der Yakuza, die noch immer eine Art Staat im Staate bilden, in blutigen Fehden untereinander.
Für Onishi selbst jedoch ist die Lage auch deshalb besonders ungemütlich, weil er durch sein zu brachiales Vorgehen in Berlin die geschäftlichen Aktivitäten auf internationaler Ebene empfindlich gestört hat. Das Mindeste was Takeda, der mächtige Oyabu des Nekodoshi-gumi, von ihm verlangt, wird ein Fingerglied als Zeichen der Bitte um Entschuldigung sein.
Doch schnell erhärtet sich der Verdacht, dass der ebenso versoffene wie cholerische Yakuza-Pate damit bei weitem nicht zufrieden sein wird. Und wenn es Rache sein soll, wird die nach japanischer Sitte mit grausamer Härte erfolgen und selbstverständlich Onishis Geliebte mit einschließen.
Und hier liegt eine der raffinierten Stärken dieses Romans: das Aufeinandertreffen westlich-individualistischen Denkens, mit dem aus Sicht der 28-jährigen Fitnesstrainerin erzählt wird, gegen dem Ich-Erzähler Meister Harada. Welten prallen aufeinander mit der selbstbewussten Westlerin, die fragt, redet und fordert, so dass selbst der relativ weltoffene Onishi sich schwertut: „Er war es nicht gewohnt, von einer Frau Antworten zu bekommen, die ihm nicht gefielen.“
Für seinen verehrten Bushido-Meister aber wird es auch ansonsten angesichts des Verfalls des alten Ehrenkodex immer schwerer, denn für ihn gilt wie generell in der japanischen Männerwelt die klare Unterscheidung in Gute und Böse. Letztere missachten die ehernen Traditionen, die Guten dagegen halten den Wertekanon des Samurai in höchsten Ehren.
Die Stimme Haradas widmet sich nüchtern und abgeklärt aber auch mit subtiler Ironie den äußerst traditionellen Werten von Ehre und Ordnung. Wenn dieses Denken rassistisch und ebenso frauen- wie fremdenfeindlich daherkommt, lässt es mit hintersinnigen Vergleichen und Ansichten über die gesellschaftlichen Veränderungen mit westlichen Unsitten immer wieder schmunzeln über das starre, ewig-gestrige Weltbild dieser tapferen Ritter mit ihren gewalttätigen Ritualen und der Verachtung von Schmerz und Tod.
Mit eleganter Prosa, die zuweilen auch drastisch wird und auch einige erotische Szenen gekonnt einflicht, erhält der Leser hier einen energiegeladenen Ausflug in eine großenteils befremdliche und doch in manchem recht reale Welt, in der offenbar der Bushido den weit höheren Rang hat als der Kanon der Menschenrechte. Das ist faszinierend andersartig und zugleich unfassbar von vorgestern. Fazit: ein außergewöhnliches Stück Spannungsliteratur, wegen expliziter Grausamkeiten aber nichts für Zartbesaitete.

# Christoph Peters: Das Jahr der Katze; 350 Seiten; Luchterhand Literaturverlag, München; € 22

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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