JENNIFER EGAN: „MANHATTAN BEACH“

 
Es ist nicht überliefert, ob es je weibliche Marinetaucher bei der US-Navy gegeben hat, dennoch hat Pulitzer-Preisträgerin Jennifer Egan eine solche zur Heldin ihres neuen Romans „Manhattan Beach“ gemacht. Und diese Geschichte ist so rundum gelungen, gerade weil sie trotzdem authentisch wirkt.
Anna Kerrigan ist die Tochter irischer Einwanderer. In der Zeit der Weltwirtschaftskrise hält sich die Familie damit über Wasser, dass die Mutter Näharbeiten verrichtet, während Vater Eddie Geld mit dubiosen Botengängen verdient. Es ist die Zeit der Prohibition, von der die Mafia großartig profitiert und Eddies Auftraggeber Dexter Styles gehört zu den gut situierten Bossen gleich unter dem großen Boss Mr Q.
Der Gentleman lebt mit seiner Familie in einer noblen Villa in Manhattan Beach, Brooklyn, direkt am Strand. 1934 begleitet die gerade zwölfjährige Anna ihren Vater einmal dorthin. Als ihr Vater dann ein paar Jahre später spurlos verschwindet, bleibt ungewiss, ob er sich abgesetzt oder aber als unliebsamer Mitwisser ein nasses Grab gefunden hat.
Doch dann werden die USA 1941 in den Zweiten Weltkrieg hineingezogen und Anna meldet sich zur Navy. Die 19-jährige will jedoch mehr als nur Baumaterial in einem Lager ordnen, stattdessen reizt sie die Arbeit der Helmtaucher, die Kriegsschiffe unter Wasser reparieren. Weibliche Marinetaucher aber gelten als Unmöglichkeit, allein schon wegen des Anzugs mit seinem 48 Kilogramm schweren Gürtels – Anna selbst wiegt kaum mehr – zuzüglich 18 kg schweren Schuhen und der Helm aus Messing wiegt weitere 28 kg.
Anna setzt sich jedoch mit eisernem Willen und gegen massive dienstliche und machomäßige Widerstände durch. Zumal die Vielzahl der Männer jetzt im Kriegsjahr 1942 an der Front sind und im ganzen Land Männerjobs von Frau übernommen werden müssen. Und Anna wird eine fähige Taucherin und damit auch quasi Ernährerin für ihre Mutter und die jüngere behinderte Schwester Lydia.
Allmählich findet Anna auch gute Freunde, was um so wichtiger wird, als Lydia stirbt und die Mutter zurück zu ihrer Familie geht. In New York aber erlebt Anna in ihrem gefährlichen Job nicht nur so manchen Einsatz, der spannender wird, als ihr lieb ist. Sie begegnet auch dem nach außen hin ehrbar gewordenen Dexter Styles wieder. Woraus eine ebenso heikle wie knisternde Beziehung erwächst.
Auch die weitere Entwicklung vor dem sehr realen Hintergrund des Krieges fesselt bis zu Annas nicht ganz freiwilligem Weggang. Bis zuletzt bleibt dieser quasi historische Roman außergewöhnlich. Man genießt das authentische Geschehen, für das die Autorin viele Jahre recherchiert hat, und ebenso genießt man die exzellente Übersetzung von Henning Ahrens. Fazit: ein starkes Stück Literatur um einen ebensolche Heldin.

# Jennifer Egan: Manhattan Beach (aus dem Amerikanischen von Henning Ahrens); 508 Seiten; S. Fischer Verlag, Frankfurt;

€ 22

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS) 

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