GERHARD HENSCHEL: „ERFOLGSROMAN“


Die Martin-Schlosser-Saga geht weiter: Autor Gerhard Henschel legt unter dem Titel „Erfolgsroman“ den mittlerweile achten Roman der Reihe vor. Und natürlich behält er das quasi autobiografische Schreiben mit der Vita seines Alter Ego bei.
Man schreibt jetzt das Jahr 1990, Ich-Erzähler Martin leidet unter Liebeskummer, weil ihm Andrea nach fünf Jahren den Paufpass gegeben hat, und in der noch existierenden DDR gibt es die ersten – und einzigen – freien Parlamentswahlen. Noch immer lebt der angehende Literat als Hungerleider mit Nebenjob in der Rumpeldisco in der friesländischen Provinz.
Oma Jever ist weiterhin eine wichtige Bezugsperson, den verbitterten Vater in Meppen besucht er eher selten. Einzige Konstante sind die vielfältigen literarischen Texte, bei denen sich allerdings allmählich einige Lichtblicke ansammeln. Immer öfter wird das ein oder andere in namhaften Publikationen abgedruckt, mal von Zeitungen und Stadtmagazinen, aber auch von Satirezeitschriften wie „Titanic“ und vor allem dem „Kowalski“.
Wenn nur gerade von dem die Honorare nicht ständig so lange auf sich warten ließen. Weshalb Martin weiterhin karg leben muss, eben dadurch jedoch auch eine Art Studenten-Bohème mit allen Nachteilen wie Vorteilen genießt. Zu letzteren gehören insbesondere einige erotische Beziehungen. Wo er zum Beispiel auf einem Tantra-Workshop die etliche Jahre ältere und sehr zugängliche Gartenarchitektin Bettina kennenlernt oder später eine skurrile junge Dame wie Astrid, eine feministische Astrologin.
Als Reporter auf Reisen und schließlich Unterschlupf suchender Neubürger in Berlin spielen vor allem die zahlreichen Begegnungen und Freundschaften mit großenteils realen und unter Echtnamen aufgeführten bekannten Wegbegleitern von Wiglaf Droste und Max Goldt bis zur Bachmann-Preisträgerin Kathrin Passig wichtige und sehr interessante Rollen.
Dass das Alles aber so ungemein fesselt, liegt an dieser gelungenen Melange mit dem realen Tagesgeschehen eben jener Gegenwart. Konkrete Tagesschaumeldungen, große Welt, Kulturbetrieb aus unmittelbarem Erleben und dann wieder Oma Jever und als Mahlzeit Geflügelgeschnetzeltes mit Reis und Tomatensoße. Gerhard Henschel erinnert damit stark an Walter Kempowskis Chroniken, nur dass er ungleich satirischer ist und eine Menge mal subtilen, mal trockenen Humors einbringt.
Neben dem weit gefächerten Zeitkolorit zählt aber wiederum auch das detailliert eingestreute Lokalkolorit zu den Qualitäten des opulenten und gar nicht sehr fiktiven Romans. Vom Hungerleider Anfang 1990 bis zu seinem 30. Geburtstag im Mai 1992 spannt sich die Lebenschronik des Martin Schlosser diesmal. Die immer größer werdenden Leserschar der Saga darf mit einer Fortsetzung rechnen und wird vom weiteren Erfolg des aufstrebenden Schriftstellers erfahren. Und vielleicht ebenso, ob ihm ein solcher auch bei der trotz langwieriger Behandlungen bisher vergeblichen zwischenmenschlichen Kontaktaufnahme zu seiner attraktiven Zahnärztin gelingt....

# Gerhard Henschel: Erfolgsroman; 602 Seiten; Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg; € 26

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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