ARLENE HEYMAN: „SCARY OLD SEX“


Arlene Heyman war bereits 70, als sie ihr literarisches Debüt mit „Scary old Sex“ gab. Darin versammelte die New Yorker Psychiaterin und Psychoanalytikerin sieben Kurzgeschichten der besonderen Art, denn um Sex geht es der Autorin tatsächlich.
Liebe im Alter und hier vor allem dem körperlichen Aspekt widmet sie sich explizit und so schonungslos offen, wie man es sonst außerhalb von Pornografie nirgends zu lesen bekommt. Da sind Stu und Marianne im Rentenalter, die zwar Sex wollen, aufgrund altersbedingter körperlicher Besonderheiten aber nicht einfach so „zur Sache“ gehen können.
Bestimmte Medikamente, Salben und Mittel sind auch bei anderen Paaren nötig, allen voran bei Matt, der unter Leukämie und den Folgen der Chemo leidet. Trotzdem fühlt er sich nicht zu alt und abgewrackt, um sich nicht sehr plastisch nach Verkehr mit seiner angebeteten Ann zu sehnen. Und sie wagen es trotz höchster Infektionsgefahr für ihn. Eine besonders beklemmende Geschichte und nach Bekunden der Autorin offenbar weitgehend autobiografisch.
Alles bekommt bei ihr einen hohen Realitätsgrad, gerade weil sie offen, direkt und bis in medizinische Feinheiten sehr detailliert schreibt. Da wird dann auch der gealterte Körper mit seinen Macken und Schwächen schonungslos beschrieben, egal, ob weiblich oder männlich. Die Offenheit wird manchen Leser durchaus irritieren, zumal Arlene Heyman zwar sehr unterhaltsam aber ohne jeden Weichzeichner schreibt. Und zugleich sorgt sie bei vielen intimen Gedanken und Details für einen hohen Wiedererkennungswert.
Sex, Beziehungen und Liebesgefühle im Alter kennen keine Scham, selbst wenn sie diskret gehalten werden. Und für große Überraschungen sorgen können wie bei Dr. Dorenbusch, der nachts einen Anruf von der Sprechstundenhilfe seines Vater erhält: der alte Arzt ist bei dieser 20 Jahre jüngeren Rosemarie beim Sex gestorben. Sohn und langjährige Geliebte mühen sich nun, den Todesfall so würdevoll wie möglich zu regeln.
Aber es gibt auch den Klassiker tabuisierter Begierden, den schön älteren verheirateten Kunstmaler Murray mit der 28 Jahre jüngeren Kunststudentin Leda: „Sie war ein Antidot gegen das Älterwerden.“ Auch hier seziert die Autorin Tpisches bis hin zum erwartbaren Zerbrechen der sinnenfrohen Idylle. Und immer wieder wandern Erinnerungen der Protagonisten – gerade auch „dabei“ - mal selbstkritisch, mal gallig, mal sehnsüchtig mit Gedanken an frühere Partner und ein noch richtig vitales Sexleben.
Nichts ist hier wirklich peinlich sondern zutiefst menschlich und zuweilen schimmert gar ein Hauch Komik durch. Sieben Geschichten, die besonders Menschen im Herbst des Lebens ansprechen und vielleicht auch zu mehr Offenheit sich selbst und dem Partner gegenüber anregen werden. Bleibt ein harscher Kritikpunkt, an dem die wunderbare Arlene Heyman gänzlich unschuldig ist: warum musste der Verlag den im Original passenden Titel für die deutschsprachige Ausgabe so übernehmen?! Das ist unnötig dämlich und der Vermarktung ganz sicher ziemlich abträglich.

# Arlene Heyman: Scary Old Sex (aus dem Amerikanischen von Cornelia Holfelder-von der Tann); 253 Seiten; btb Verlag, München; € 20

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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