HANNES KÖHLER: „EIN MÖGLICHES LEBEN“

 
Einem bisher zumindest in der deutschsprachigen Literatur wenig beachtetem Thema widmet sich Hannes Köhler in seinem neuen Roman „Ein mögliches Leben“: Wehrmachtssoldaten in amerikanischer Kriegsgefangenschaft.
Einige Hunderttausend wurden in die USA verbracht und diese „Prisoner of War“ hatten im Vergleich vor allem zu denen in russischen Lagern gewissermaßen das große Los gezogen. Obwohl ja auch so mancher amerikanische Soldat durch sie zu Tode kam, hielten sich die Lagerverantwortlichen streng an die Genfer Konvention, sorgten für relativ komfortable Baracken, gutes Essen und Schikanen gab in der Regel auch nicht.
Im Mittelpunkt des Romans steht hier Martins Großvater Franz, den er fast nur aus den wenigen Geschichten seiner Mutter kennt. Und die hören sich verbittert an, denn das Verhältnis zwischen Vater und Tochter ist seit Jahrzehnten zerrüttet. Zunächst aber geht es um den verschlossenen alten Herrn, der mit seinen 90 Jahren einen letzten innigen Wunsch an den Enkel richtet: er möchte noch einmal die Orte wiedersehen, an er seit 1944 prägende Zeiten als PoW verbracht hat.
Martin, Teilzeitlehrer mit gestörter Beziehung in Berlin, reist mit Opa Franz aus Essen in die Hitze von Texas und Utah. Und erlebt einen alten Mann, der sich zusehends öffnet und von intensiven Eindrücken erzählt. Vom Freund Paul, der in der Gefangenschaft stirbt, von überzeugten Nazis unter den Mitgefangenen. Wo es da Drangsalierungen bis hin zu Gewalt und Todesfällen gab, erfolgten sie nicht durch die Bewacher sondern durch solche deutschen Fanatiker.
Später kommt heraus, dass sich Franz damals unsterblich in die Amerikanerin Wilma verliebte, mit der er sich auch nach der Rückkehr in völlig veränderte Deutschland noch über viele Jahre Briefe schrieb. Wo er dann seine Johanna heiratete und Tochter Barbara geboren wurde. In einem weiteren Erzählstrang erinnert diese sich an bittere Zeiten mit ihrem Vater. Da war das Zerwürfnis zwischen dem überzeugten Amerika-Verehrer und der jungen 68erin, die wegen des Vietnam-Krieges gegen eben diese USA demonstrierte. Und schließlich auch noch der endgültige Bruch mit ihr, weil sie sich mit einem absolut unerwünschten Partner zusammentat.
Hannes Köhler hat aus dieser sehr realen Konstellation eine Geschichte geformt, die gänzlich überzeugt. Dies vor allem auch, weil er intensiv vor Ort zum Thema recherchiert und auch Zeitzeugen gehört hat. Fazit: ein bewegender Roman von Lebenswegen voller schicksalhafter Prägungen, wie es sie ähnlich zuhauf gegeben hat.

# Hannes Köhler: Ein mögliches Leben; 350 Seiten; Ullstein Verlag, Berlin; € 22

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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