MAILE MELOY: BEWAHREN SIE
RUHE
Liv ist mit dem Ingenieur Benjamin verheiratet und Nora mit dem erfolgreichen Schauspieler
Raymond. Die Frauen sind Cousinen und die Familien wollen mit ihren Kindern diesmal
Weihnachten auf eine besondere Weise feiern: mit einer Kreuzfahrt von Los Angeles bis
Südamerika und zurück.
Alles ist bestens geregelt an Bord, allerdings stellen Penny und Marcus, beide elf, sowie
Sebastian (8) und June (6) schnell fest, dass sie so ziemlich die einzigen Kinder auf dem
luxuriösen Schiff sind. Und mit dem 16-jährigen Hector und seiner 14-jährigen Schwester
Isabel, die mit ihren offenbar schwerreichen argentinischen Eltern unterwegs sind, können
sie schon wegen des Altersunterschieds nicht viel anfangen.
Das ist die Konstellation, mit der Maile Meloys neuer Roman Bewahren Sie Ruhe
beginnt. Welche Eltern aber können die Ruhe bewahren, wenn ihnen der Albtraum schlechthin
passiert: sämtliche Kinder sind plötzlich spurlos verschwunden. Auslöser war die
gepflegte Langeweile, die die Eltern zu einem Landgang in einem nicht näher benannten
mittelamerikanischen Land animierte.
Während sich die Männer eine Runde Golf gönnen, machen die Frauen mit den Kindern einen
Ausflug mit einem kleinen Tourbus. Als der bald eine Panne hat, empfiehlt Tourguide Pedro
einen idyllischen, einsam gelegenen Strand am Rande des Urwalds. An dem von dort kommenden
Fluss bauen sich die Kinder nun ein primitives Floß und haben viel Spaß damit. Bis bei
einsetzender Flut das Wasser das wacklige Gefährt unaufhaltsam viele Kilometer
flussaufwärts drückt.
Liv hat nichts davon mitbekommen, denn einige Drinks haben sie regelrecht am Strand
eingeschläfert. Nora dagegen ist Pedros Angebot gefolgt, ihr im Urwald seltene Vögel zu
zeigen. Stattdessen vergnügen sich die Beiden allerdings vielmehr mit erotischen
Anwandlungen. Um so heftiger dann das Entsetzen, als beide Mütter das Verschwinden der
Kinder entdecken.
Für die setzt ein Kampf ums Überleben ein, bei dem Hector auch auch sein Alter wenig
nützt. Und die Lage spitzt sich nicht nur für den Diabetes-kranken Sebastian von Stunde
zu Stunde immer bedrohlicher zu. Die 14-jährige Isabel, nur mit einem Bikini bekleidet,
ist sich der Gefahr am intensivsten bewusst, als sie endlich auf wenig vertrauenerweckende
Einheimische treffen. Die sich als Drogenhändler erweisen und vermutlich nicht nur das
sind.
Und verlorengegangene US-amerikanische Kinder aus offenbar guten Verhältnissen bringt man
in diesem bettelarmen Landstrich nicht einfach so zu ihren Eltern zurück, wenn man sie
schon mal in Gewahrsam hat. Was für die hilflosen Eltern nur in der Vorstellung ein
Albtraum ist, wird für die Kinder ein intensiv zu durchleidender und es entwickelt sich
ein dramatisches und absolut filmreifes Geschehen, das am Ende niemand unbeschadet
übersteht.
Fazit: diese auch dank der hervorragenden Dramaturgie und der gut gezeichneten Charaktere
packende Geschichte bietet Spannungsliteratur von Feinsten mit besonderem
Gänsehaut-Effekt für Eltern ähnlich junger Kinder.
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