GREG ILES: "DIE SÜNDEN VON
NATCHEZ
In den ebenso spektakulären wie grandiosen Romanen Natchez Burning und
Die Toten von Natchez hatte US-Erfolgsautor Greg Iles einen beklemmenden Blick
auf die rassistische Vergangenheit im Südstaat Mississippi geworfen. Die für Penn Cage,
den ehemaligen Staatsanwalt und jetzigen Bürgermeister seiner Heimatstadt wie eine
Giftwelle in die Gegenwart schwappt.
Noch immer existiert der Ku Klux Clan, viel schlimmer jedoch wütete schon in den 60er
Jahren zu Zeiten der Bürgerrechtsbewegung mit den Doppeladlern eine
Splittergruppe mit einer unfassbaren Grausamkeit und Mordlust, gegen die der Clan geradezu
wie eine Maulheldentruppe wirkt. Und Penn Cage geriet nun in deren infernalisches
Mahlwerk, als Viola Turner heimkehrte. Ihren Bruder hatte man in den 60ern als
Bürgerrechtler ermordet und sie selbst überlebte eine bestialische Gruppenvergewaltigung
nur knapp.
Nach Chicago geflüchtet wie so viele Schwarze, kehrte sie nun zurück: Lungenkrebs im
Endstadium. Und wandte sich an Dr. Tom Cage, allseits beliebter Arzt und Penns Vater. Als
Viola unter mysteriösen Umständen starb, sorgten Schergen des Doppeladler dafür, dass
der Arzt unter Mordanklage kam. Zugleich kam ein dunkles Geheimnis an den Tag: Viola war
damals seine Geliebte und es gibt auch den illegitimen Sohn Lincoln.
Rund um all diese Geschehnisse von damals und in der hitzigen Gegenwart wüten die
Doppeladler samt ihren Söhnen ungehemmt. Der aufrechte Journalist Sexton hatte
erstaunlich vieles herausbekommen über ihre Machenschaften. Was ihn prompt das Leben
kostete. Doch auch Penns Verlobte Caitlin, unerschrockene Besitzerin der Lokalzeitung,
stößt auf gefährliche Geheimnisse und kommt dabei um. Schließlich scheuen die
Rassisten mit der Herrenmenschenattitüde nicht einmal davor zurück, ein Flugzeug des FBI
mit heiklen Beweisstücken vom Himmel zu holen.
Und nun liegt endlich der Abschlussband dieser Trilogie unter dem Titel Die Sünden
von Natchez vor. In erster Linie ist dies ein Gerichts-Thriller, doch mit all den
virulenten rassistischen Verbrechern, die durch die Aufdeckung mancher finsterer
Geheimnisse sehr viel zu verlieren haben, kommt auch diesmal brandheiße Action nicht zu
kurz. Dafür sorgen schon der immer noch scheinbar allmächtige Chester Snake
Knox als vor Hass und Niedertracht schier berstender Kopf der Mordbrennerbande und seine
primitiven Handlanger vom Motorradclub Varangian Kindred.
Während es vor Gericht mit dem Angeklagten Tom Cage, seinem schwarzen Anwalt Quentin und
dem obskuren Bezirksstaatsanwalt Shad Johnson mindestens so raffiniert und spannend zugeht
wie in einem Scott-Turow-Thriller, lauern draußen überall tödliche Gefahren, bei denen
Penn auch um seine elfjährige Tochter bangen muss. Zu den exzellent gezeichneten
Charakteren der Vorgeschichte kommt mit Serenity Butler, einer unerschrockenen jungen
Schriftstellerin, eine schillernde neue Figur ins Spiel. Zumal es zwischen der attraktiven
Afro-Amerikanerin und dem smarten Penn Cage umgehend knistert.
Auch dieser Abschlussband ist ein atemberaubendes Meisterwerk mit brillant verknüpften
Handlungssträngen. Zum ganz großen Lesegenuss aber empfiehlt es sich, die
Vorgängerbände gelesen zu haben. Und wer dann diese insgesamt über 2800 Seiten gelesen
hat die mit expliziter Darstellung teils unglaublicher aber realer Gewaltexzesse
nicht sparen der kommt unweigerlich auf zwei Fragen: Wie kann der Autor
tatsächlich in dieser Stadt mit solch real nachempfundenen Verbrechen leben? Und
zweitens: sind diese USA wirklich eine post-rassistische Gesellschaft?!
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