TWAIN: „DAS VERSCHWINDEN DES PRINZEN OLEOMARGARINE“


Ein sensationeller Zufallsfund ist Mark Twains Kinderbuch „Das Verschwinden des Prinzen Oleomargarine“. Zu verdanken war er diesem speziellen flüssigen Rinderfett, das es tatsächlich gibt, denn dadurch fiel das Manuskript einem Autor auf, der eigentlich Material für ein Mark-Twain-Kochbuch suchte.
Allerdings war dies kein Manuskript für ein richtiges Buch, sondern lediglich ein Fragment aus jenen Gutenachtgeschichten für seine Töchter Clara und Susy. Sehr viele hat der berühmte Autor offenbar erfunden, aber leider nur erzählt. Diese hier verdankt ihr Überleben vermutlich dem Umstand, dass Mark Twain sie über mehrere Abende fortgesponnen hat.
Dafür dienten dann Stichworte, Satzfetzen, Stimmungsbilder und ein Handlungsgerüst. Ganze 16 Seiten umfasste die lückenhafte, unvollendete Geschichte um den Jungen Johnny, dessen einzige Familie nur aus dem ständig übellaunigen Großvater besteht. Außerdem besitzt er ein Huhn namens „Pest und Hungersnot“ und lebt in einem Königreich mit einem sehr dämlichen König.
So dämlich, dass niemand größer sein darf als er, ansonsten muss er fliehen oder eben ständig gebückt herumlaufen. Eine wichtige Rolle spielt dann ein Geschenk für eine gute Tat: Samen für einen Blume. Als Johnny die schließlich isst, kann er die Tiere verstehen und einige mutige Taten vollbringen.
Damit aus Mark Twain Versatzstücken ein richtig großes Buch mit einer ausgereiften Geschichte samt glücklichem Schluss werden konnte, haben sich Philip und Erin Stead der Fundstücke angenommen. Das vielfach preisgekrönte Kinderbuchautorenpaar haben etwas Rundes daraus gemacht, das nicht nur Kinder ab sechs Jahre begeistern dürfte.
Dazu dienen auch die Illustrationen von Erin Stead mit ihrer sanften, oft geradezu durchscheinenden Farbgebung. Ihre besondere Wirkung ist, dass sie aussehen, als seien hier Blei- und Buntstiftbilder von damals altersmäßig stark verblichen. Der Besonderheit angemessen sind auch die eingeflochtenen Passagen, in denen Philip Stead so tut, als sitze er mit seinem legendären Kollegen zum Interview beisammen.
Fazit: ein außergewöhnliches Buch, das sich wegen seiner speziellen Zusammensetzung aber am ehesten zum Vorlesen durch versierte Vorleser eignet. Ein kleiner Kritikpunkt sei jedoch nicht unterschlagen: so viele leere Seiten oder solche mit lediglich einer kleinen Zeichnung darauf wären als Gestaltungsmerkmal verzichtbar gewesen.

# Mark Twain/Philip Stead: Das Verschwinden des Prinzen Oleomargarine (aus dem Amerikanischen von Sophie Zeitz); 152 Seiten, farbig ill., Großfoirmat; Knesebeck Verlag, München; € 25

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: KJB 754 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.