ANTHONY McCARTEN: „JACK“


Als die Berkeley-Studentin Jan Weintraub der Beerdigung von Jack Kerouac (1922-1969) beiwohnt, sinniert sie über die schwierige Annäherung an ihr Idol vor gerade erst gut einem Jahr. „Jack brauchte mich. Er wusste es nur noch nicht.“ Gekommen war sie, um für eine Biografie einige der vielen Rätsel im Leben des Kultautors aufzudecken.
Damit beginnt Anthony McCarten seinen jüngsten Roman, der schlicht mit „Jack“ überschrieben ist. Der neuseeländische Erfolgsautor macht kein Hehl daraus, dass der Star der sogenannten Beat-Generation sein großes Idol und Vorbild am Beginn seiner Karriere war. Der Versuch einer Biografie aber wird diese Geschichte nur für Ich-Erzählerin Jan.
Als sie ihr Idol aufsuchen will, benötigt sie regelrechte Detektivarbeit, denn Kerouac hat sich nach zehn veröffentlichten Roman und immerwährender Missachtung durch Kritik und Medien völlig zurückgezogen. Er, der in den 40er und 50er Jahren mit den ebenfalls legendären Allen Ginsberg und William S. Burroughs ein Gespann bildete, das mit Jazz, Drogenexperimenten und ungezähmter Sexualität dem Hunger nach neuen Erfahrungen nachjagte, hatte sich quasi vom Leben verabschiedet.
Bei seiner Mutter untergekrochen, hatte er beschlossen, sich totzusaufen. Jan trickst sich allerdings tatsächlich so raffiniert in seine Nähe, dass sie Interviews mit ihm machen und diese auf Band aufnehmen kann. Und sie entlockt ihm so manche Erinnerung an die bewegte Vergangenheit und da sind Gedanken an Kurzzeitehefrau Edie – die erste von drei Ehefrauen – ebenso aufschlussreich wie reale und Romanfiguren.
Allen voran Kerouacs wichtigster Begleiter auf den exzessiven Zügen durchs Land Neal Cassady. Der dann ja 1957 überdeutlich als jener Dean Moriarty die zentrale Figur im Kultroman „Unterwegs“ zu erkennen war, mit dem Kerouac die Highways des Landes unsicher gemacht hatte. Doch Ich-Erzählerin Jan erweist sich als nicht wirklich zuverlässige Biografin und genau das macht den Charme dieses wendungsreichen Romans aus, der vor allem mit den Identitäten und den Fragen nach ihnen spielt.
Was die Beat-Generation ausmachte, der ungebärdige Drang nach Freiheit, das kommt ebenso zur Sprache wie einige weniger angenehme Wahrheiten. McCarten hat jedoch weder versucht, ähnlich experimentell zu schreiben wie sein Vorbild, noch beansprucht er, zu ergründen, wer Jack Kerouac wirklich war. Schließlich erhält auch die Ich-Erzählerin keine Autorisierung für ihre sehr eigenwillige Biografie. Fazit: eine gelungene und sehr unterhaltsame Konstruktion um einen Wegweiser der modernen amerikanischen Literatur.

# Anthony McCarten: Jack (aus dem Englischen von Manfred Allié und Gabriele Kempf-Allié); 255 Seiten; Diogenes Verlag, Zürich; € 22

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS) 

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