HEINRICH STEINFEST: „DIE BÜGLERIN“


Heinrich Steinfest, der österreichisch geprägte Erfolgsautor, pflegt eine Neigung zu ausgefallenen Berufen seiner wichtigsten Protagonisten. Bei seinem jüngsten Werk weist schon der Titel „Die Büglerin“ den Weg.
Und führt doch in die Irre, denn eigentlich ist Tonia Schreiber studierte Meeresbiologin. Wird sie eingangs bei der penibel ausgeführten Arbeit mit dem Bügeleisen erst schemenhaft angerissen, folgt nun die Beschreibung ihrer interessanten Herkunft samt einer außergewöhnlichen Kindheit und Jugend.
Ihre Eltern waren die chaotisch-geniale Philippa und der nüchtern-präzise Max, beide hochkarätige Botaniker. Die als köstliches Schmankerl mit typisch Steinfestschem schwarzem Humor beschriebene Rettung einer altersschwachen Katze namens Lachs beschert Max ein überraschendes Erbvermögen. Und dem Paar nicht nur eine Villa in Wien sondern auch die Möglichkeit, das künftige Forscherleben fast ausschließlich auf der schönen Yacht „Ungnadia“ in fernen Gewässern zu verbingen.
Wo dann auch auch Tochter Antonia aufwächst, die als Österreicherin ja nicht der Schulpflicht sondern nur der Unterrichtspflicht mit alljährlichen Prüfungen unterliegt. Erst mit 14 muss sie auf ein Internat, wo sie mit 16 die Nachricht erhält, dass die Yacht im Sturm gesunken ist und offenbar beide Eltern tot sind. Womit Tonia nicht nur Vermögen und Villa erbt, es kommt auch noch die bis dato unbekannte Halbschwester Hannah aus einer früheren Affäre ihres Vater hinzu.
Die Beiden wohnen harmonisch unter einem Dach und studieren. Bis Hannah heiratet und auszieht. Ihre bald geborene Tochter Emilie aber wächst Tonia mehr ans Herz als der eigenen Mutter. Bis ein ungnädiges Schicksal zuschlägt, als sie mit der inzwischen 16-jährigen Nichte ins Kino geht und direkt vor ihr ein seltsam nervöser Mann sitzt. Der immer wieder sein Smartphone zückt und nach einer SMS schließlich eine Pistole hervorholt.
Die sportlich durchtrainierte und innerlich stets auf Zwischenfälle vorbereitete Tonia versucht den offensichtlich drohenden Amoklauf abzuwenden. Drei Schüsse aber und den Selbstmord des Verrückten kann sie nicht verhindern. Und eine der Kugeln trifft Emilie tödlich. Voller Schuldgefühle über ihr Versagen verschenkt Tonia ihr gesamtes Vermögen an die katholische Kirche – mit der sie ansonsten so gar nichts im Sinn hat – als Selbstbestrafung. Über den von ihr als „Erler“ anonymisierten Täter hat sie nur herausgefunden,dass er auf der Brust ein Tattoo in der Form des „Schwarzen Quadrats“ des russischen Malers Malewitsch trug.
Für kargen Lohn arbeitet sie künftig im Haushalt einer reichen Hamburgerin und wird für ihre Arbeit hoch geschätzt. Und erbt prompt nach einigen Jahren erneut ein Vermögen. Das sie wiederum der Kirche schenkt, um ihre selbst auferlegte Strafe nicht zu mindern. Ähnlich ärmlich wie zuvor lebt sie dann in Heidelberg, nun jedoch nur noch als unterbezahlte aber perfekte Büglerin.
Sie lernt den krankhaft schwitzenden Gemüsehändler Dyballa kennen, der als platonischer Freund noch große Bedeutung erlangen soll. Wie auch das Oberhemd einer Kundin, das deren Geliebtem gehört, denn – es trägt das Malewitsch-Quadrat als Emblem. Auf diesen seltsamen Umwegen findet Tonia schließlich heraus, dass ihre Verstrickung in Emilies Tod offenbar noch fataler war, als sie angenommen hatte.
Wie ausgerechnet Dyballas in der Ferne lebende Tochter dann doch noch zu Tonias Sühne führt, soll hier nicht weiter verraten werden. Es sei nur versichert, dass das, was sich so verschlungen und schicksalhaft anhört, tatsächlich aufs Feinste komponiert ist und von Beginn an mit großer Sogwirkung fesselt. Die Geschichte mag bizarr sein, gleichwohl hat sie eine gewisse Magie bis hin zu ihrem janusköpfigen Happyend. Fazit: auch dank vieler satirischer Einsprengsel und funkelnden Sätzen ein literarischer Hochgenuss.

# Heinrich Steinfest: Die Büglerin; 287 Seiten; Piper Verlag, München; € 20

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: BEL 1308 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de