RAINER WEKWERTH/THARIOT: „PHEROMON“


Wohl selten beginnt eine irre Achterbahn von Jugendroman so banal wie „Pheromon – Sie riechen dich“. Das erste Kapitel spielt im aktuellen Jahr 2018 in Vernon, Illinois, wo Jake Merdon durch sein Versagen ein wichtiges Football-Spiel vergeigt. Doch auch der Sprung ins Jahr 2118, in dem der abgehalfterte Arzt Travis Jelen in New York von jugendlichen Räubern überfallen wird, lässt noch wenig von den Abgründen ahnen, die sich bald auftun werden.
Bald jedoch sorgt das Autoren-Duo Rainer Wekwerth und Thariot dafür, dass man dieses Buch keine Sekunde mehr aus der Hand legen mag. Jeder ist für seine Zeitebene zuständig und da lässt Jugendbuchautor Wekwerth dem absolut durchschnittlichen Jake eine Wandlung angedeihen, die dieser selbst nicht begreift. Von klein auf von Allergien geplagt, hat er versäumt, das unverzichtbare Heuschnupfenmittel zu besorgen und – wacht anderntags mit extrem geschärftem Geruchssinn auf.
Verwundert stellt er fest, dass er sogar Emotionen anderer riechen kann. Obendrein sieht er nun ohne Kontaktlinsen weitaus besser als zuvor und dieser Durchblick dehnt sich bis auf seine Mathe-Fähigkeiten aus. Und kaum hat er in der Schule erste Kostproben seiner neuen Fähigkeiten demonstriert, macht ihn unversehens Serena an, das heißeste Girl der gesamten Schule. Sie hat eine seltsame, geradezu unwiderstehliche Anziehungskraft, die offenbar mit dem schweren, verführerischen Duft zusammenhängt, den Jake – im Gegensatz zu anderen „Opfern“ - bewusst wahrnimmt.
100 Jahre weiter arbeitet Travis als Arzt ehrenamtlich für Obdachlose und Menschen ohne Krankenversicherung im Walker Center. Der trockene Alkoholiker schleppt ein dunkles Geheimnis aus alten Tagen mit sich herum, das mit dem Tod seiner Tochter zu tun hat. Um so mehr elektrisiert ihn die 16-jährige abgerissene Streunerin Lee, die bei dem Überfall auf ihn am Rande dabei war.
Bei der Untersuchung der Schwangeren zeigt das Messgerät Unverständliches an: „Genetic Embryonic Footprint not human“. Lee flieht jedoch, allerdings setzt Travis alle Hebel in Bewegung, um sie wiederzufinden. Der erneut bei ihm auftauchenden Polizei aber verschweigt er, dass er Lee wie auch einen der Täter wiedererkannt hat. Was ihn nämlich misstrauisch macht: wie so viele andere Amtsträger tragen auch sie den Anstecker von HFP.
„Human Future Project“ bedeutet das Logo und dahinter steht die bereits 2016 gegründete nicht-kommerzielle Wohltätigkeitsorganisation, die sich bis zu Travis' Gegenwart zu einem globalen und allseits geschätzten Konglomerat entwickelt hat. Travis mit seinem Vorleben als gewiefter Medizinischer Informatiker findet beunruhigt heraus, dass HFP unter dem hehren Slogan „Die Zukunft liegt in den Händen unserer Kinder“ mit seinen unerschöpflichen Fördermitteln reihenweise direkten Einfluss auf Dutzende Universitäten ausübt.
Jake beginnt derweil, der merkwürdigen Serena nachzuspionieren und kommt dabei zu einem neuen Jugendzentrum. Dort erlebt er seltsame Riten und fällt selbst unter die hypnotischen Manipulationen dieser rätselhaften Drohne. Woraus ihn Amy rettet, die ähnliches an ihrem Bruder mitbekommen hat, der inzwischen zum willenlosen Mitläufer geworden ist. Aber von wem? Mit Hilfe des Nerds William stoßen Jake und Amy auf eine zwei Jahre zuvor in New York gegründete Organisation namens HFP, die dabei ist, dort ein gigantisches Zentrum zu bauen. Wozu aber benötigt eine Wohltätigkeitsorganisation eine Firewall, schärfer als die des Pentagon?!
Im Jahr 2118 lässt Travis nicht locker und es gelingt ihm tatsächlich, als Arzt bei HFP angenommen zu werden. Wo der IT-Fuchs Erschreckendes über diese Krake herausfindet. So gehört zur Förderung von Kindern und Jugendlichen, dass diese scheinbar übertriebene vielfache Schutzimpfungen erhalten – die sie jedoch gegen fast sämtliche existierende Krankheiten immun machen. Und wieso hat die so wohltätige HFP Lee gleich nach der Geburt ihr Kind weggenommen?
Aber auch Jake, Amy und William stoßen auf Merkwürdigkeiten der 2018 noch jungen HFP, die äußerst besorgniserregend sind. Zumal Jake nicht nur selbst unweigerlich die HFPler an ihrem Lockstoffgeruch erkennt – die wiederum wittern jeden Außenstehenden sofort. Doch was will die weltweit ausufernde Organisation? Die in Travis' Zeit längst ein nahezu allmächtiger Koloss geworden ist, der Schnüffler und Gegner rigoros ausschaltet.
Dennoch gelingt es Travis über letzte „freie“ Wissenschaftler an Kenntnisse zu gelangen, die frösteln lassen: im Blut der HFPler finden sich Spuren eines intelligenten nicht-humanen Virus mit fatalen verändernden Wirkungen. Schon die jungen Leute von 2018 ahnen, dass die HFP größte Gefahr für die Menschheit bedeutet, für Travis und seine wenigen Mitstreiter aber ist es tödliche Gewissheit.
So endet das Alles in einem atemberaubenden Finale und ist doch nur das Ende von Band I der Pheromon-Trilogie. Ein wahrhaft abgedrehtes Spektakel, sprachlich eher mittelmäßig, um so besser funktioniert die Dramaturgie mit den parallel Zeitebenen. Da dieses Buch hammerharte Szenen aufweist, sei es erst ab 16 Jahre empfohlen, doch auch Erwachsene mit und ohne ScienceFiction-Faible werden hingerissen sein.

# Rainer Wekwerth/Thariot: Pheromon – Sie riechen dich; 414 Seiten, Klappenbroschur; Planet Verlag, Stuttgart;
€ 17

WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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