MARY SHELLEY:
FRANKENSTEIN
Vor nunmehr 200 Jahren erschien mit Frankenstein oder Der moderne Prometheus
der berühmteste aller Gruselromane und eroberte sich einen dauerhaften Platz in der
Weltliteratur. Damals wurde das Werk zunächst anonym veröffentlicht, denn eine Frau als
Autorin und dann bei solch einer aufwühlenden Geschichte das erschien dem Verlag
zu gewagt.
Entsprechend wuchs die Aufregung noch, als herauskam, dass der Roman von der erst
19-jährigen Mary Wollstonecraft Shelley (1797-1851) stammte. Dabei überzeugte bei dem
überaus reifen Werk die geradezu brillante Kombination aus verwegenem Erzählen,
wissenschaftlicher Fantasie und erlesener Prosa. Davon zeugt nun auch die verdienstvolle
Neuübersetzung durch Alexander Pechmann für die Jubiläumsausgabe der Urfassung.
Und es lohnt wahrlich, diese ursprüngliche Geschichte vom gewissenlosen Forscher Victor
Frankenstein und der von ihm geschaffenen Kreatur zu lesen. Wer die Gruselmär nur von den
unzähligen Verfilmungen her kennt, wird sich ein wenig wundern, wie sehr die
Sensationsgier in Hollywood und anderswo für Verfälschungen und Hinzudichtungen gesorgt
hat. Schon beim Namen wurde verschiedentlich gepfuscht, denn Frankenstein ist der
Schöpfer des Kunstmenschen, der bei ihm aber nicht einmal einen Namen erhielt.
Dieser junge Mann hatte sich schon in seiner Kindheit in Genf mit teils fragwürdigen
Wissenschaftspraktiken befasst und ging mit 17 Jahren nach Ingolstadt, um alles zu
studieren, was die Naturwissenschaften Anfang des 19. Jahrhunderts zu bieten hatten. Dort
war denn auch in einer Dachkammer das von Mary Shelley gar nicht näher beschriebene
Labor, in dem es Frankenstein gelang, aus toter Materie einen Homunculus zu erschaffen.
Es gab weder eine unheimlich Burg noch einen Gehilfen Igor. Das abscheuliche
Werk, wie Frankenstein es selbst hernach bezeichnet, ist ihm so zuwider, dass er es
sich selbst überlässt. Für alle Menschen, die ihm dann begegnen, ist es jedoch ein
scheußliches, furchteinflößendes Monstrum, vor dem jeder Reißaus nimmt. Die Kreatur,
die im Roman als schlau und grüblerisch aber auch als körperlich sehr beweglich
beschrieben wird, kann schließlich seinen Schöpfer dazu bewegen, ihm eine Gefährtin zu
schaffen.
Bis diesen die Abscheu übermannt und er das halbfertige weibliche Monster vernichtet,
weil er nicht noch weitere Schreckensgebilde zum Leben erwecken will. Worauf das einsame
Monster nun wirklich zum mörderischen Unhold wird, das sich an dem verantwortungslosen
Forscher rächen will.
Nun ist es der entsetzte Frankenstein, der die Welt vor seiner Kreatur retten will. Die
Autorin hat diese so modern erscheindenden Konflikte um selbstvergessene Wissenschaftler
mit einer raffinierten Dramaturgie zur packenden Geschichte geformt, die selbst in der
altbackenen Sprache nichts von ihrem düsteren und tiefgründigen Zauber verloren hat.
Fazit: hier kann man einen Weltklassiker in alter Schönheit neu entdecken und Georg Klein
fügt in einem ausführlichen Nachwort kluge Interpretationen hinzu.
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