KATRIN BURSEG: „IN EINEM ANDEREN LICHT“


Weit mehr als einen sogenannten Frauenroman hat die Erfolgsautorin Katrin Burseg mit „In einem anderen Licht“ geschrieben. Zwar stehen zwei Frauenschicksale im Mittelpunkt, doch der Artikel, den die Journalistin Miriam Raven unter dem Buchtitel für ihre anspruchsvolle Frauenzeitschrift da schließlich verfasst, führt in ganz andere Dimensionen.
Vor zwei Jahren starb Miriams Mann, der zu jener Zeit als Fotograf bei demselben Nachrichtenmagazin arbeitete wie sie, bei einem Einsatz im Irak durch einen Querschläger. Sie verlor im Anschluss ihr Baby und lebt jetzt nur noch für den fünfjährigen Max und ihre Arbeit. Und wird immer wieder heimgesucht von ihrem ständigen Begleiter: „Der Rabe ihrer Trauer.“
Aktuell ist sie mit den Vorbereitungen für eine große Preisverleihung befasst. Die Hamburger Reederswitwe und höchst prominente Mäzenin Dorothea Sartorius hat in Zusammenarbeit mit ihrer Zeitschrift einen hochdotierten Preis für Zivilcourage gestiftet. In den Bewerbungsschreiben taucht dann jedoch auch ein anonymes auf mit dem einen Satz: „Fragen Sie Dorothea nach Maguerite“. Unterschrieben ist es nur mit dem Namen Elisabeth.
Erst als nun täglich immer weitere gleiche Briefe hereinkommen, beginnt Miriam zu recherchieren. Bald findet sie heraus, dass es in den Hochzeiten der RAF eine kleine terroristische Untergruppe unter dem Decknamen „Marguerite“ gegeben hat. Zugleich gelingt ihr das Unwahrscheinliche: die stets so pressescheue Mäzenin gewährt Miriam ein Interview.
Auf ihre zögerliche Frage nach dem Hintergrund der ominösen Briefhinweise verweist die Grande Dame der Hansestadt nur auf eine Elisabeth Manzel, die sie befragen möge. Was aber könnte das dunkle Geheimnis sein, „das Dorothea Sartorius hinter der Maske der hanseatischen Noblesse verbarg?“ In einem Kloster an der Schlei stößt Miriam auf Schatten der Vergangenheit, in die die 72-Jährige offenbar involviert war und die bis in den berüchtigten sogenannten Deutschen Herbst reichen.
Während Miriam einerseits bei diesen Recherchen auch Bo, den professionellen Drachenbauer kennenlernt, der sie, vor allem aber auch Max betört, kommt es schließlich zu einer großen, eindrucksvollen Begegnung der beiden Witwen am Strand der Ostsee. Dorothea Sartorius bricht ihr jahrzehntelanges Schweigen, offenbart sich mit ihrer Verstrickung in eine alte Schuld, bei der es 1972 drei Tote gab. Sie schildert ihren Weg vom wilden Groupie, das 1965 beim legendären Berliner Konzert der Rolling Stones mit Brian Jones knutschte, dann zur typischen Mitläuferin der 68-er Rebellion wurde.
Und aus einer nie verwundenen Schuld wegen ihres zur Adoption weggegebenen Kindes in terroristische Kreise abrutschte. Mit Hass auf das System und voller selbstgerechtem Selbstmitleid. So kommt es schließlich auch zum öffentlichen Bekenntnis der Prominenten und Miriams Artikel „In einem andern Licht“. Mag auch der ein oder andere Zufall in dem dichten Geflecht des hervorragend recherchierten Geschehens eine Rolle spielen, so ist doch alles sehr lebensnah vor realem Hintergrund.
Und es sei eines festgestellt: es gibt solche Geschichten, das Leben schreibt sie wirklich. Oder wie die Autorin in ihrer ebenso sensiblen wie zielführenden Prosa es ausdrückt: Zufall ist etwas, dessen Sinn sich erst ganz am Ende erschließt. Fazit: ein sehr anderer Roman zum Deutschen Herbst, der ohne wildbewegte Handlung auskommt und dennoch ungemein fesselt.

# Katrin Burseg: In einem anderen Licht; 315 Seiten; List Verlag, Berlin; € 18

 
WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

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