IRENE DISCHE: „SCHWARZ UND WEIß“


Vorsicht, dieses Buch beißt mit bitterböser Satire: mit „Schwarz und Weiß“ legt die deutsch-amerikanische Erfolgsautorin Irene Dische einen Gesellschaftsroman vor, der dem Leser zuweilen den Atem verschlägt. Diese Aufsteigergeschichte, die im Abseits einsetzt und endet, jagt zwischen Anfang und Ende rastlos durch einige schillernde Leben.
Mag der Einstieg auch rüde und sarkastisch sein, wenn da eine Jo Bolin, einst als Jutta in Berlin geboren, als Ich-Erzählerin schildert, wie sie an das Nachbargrundstück der Butlers hier im Süden Floridas gekommen ist. Die ganze Geschichte von Duke und Lili Butler aber offenbart sich ihr erst durch einen bizarren Zufall, der ihr im Wortsinne Lilis Tagebuch vor die Füße weht.
Alles begann 1972, als Duke, ein schwarzer Habenichts in der Uniform eines einfachen GI nach New York kommt, um eine flüchtige Urlaubsbekanntschaft aufzusuchen. Diese 18-jährige Lili mit der klobigen Brille und dem Faible für Chemie ist die Tochter von Vlado und Buckey Stone, jüdische Intellektuelle der besseren Gesellschaft und in New Yorker Kreisen von einiger Berühmtheit. Als aus den beiden jungen Leuten im Nu ein heftig verliebtes schwarz-weißes Traumpaar wird, befürworten die liberalen Stones das nicht nur, sie lassen ihre vielfältigen Beziehungen für den gutmütig naiven und wohl auch deshalb so einsilbigen Schwiegersohn spielen.
Wie in einer griechischen Tragödie beginnt der Abstieg der Beiden quasi mit ihrem Aufstieg. Duke, der nie Kaffee oder Bier trank, hat solch unverfälscht sensible Geschmacksnerven, dass er ganz im jüngsten New Yorker Trend zum Weinverkoster wird. Und bald so umjubelt ist, dass er sogar seine eigene Fernsehsendung erhält und später sogar im Weißen Haus seine Talente beweisen darf. Doch auch Lili macht einen, wenn auch in dieser Form eher unerwarteten Aufstieg.
Aus dem Mauerblümchen mit dem Hochschuldiplom wird fast über Nacht ein so angesagtes Model, dass ihre Berühmtheit bald sogar die der Eltern übersteigt. Im Gegensatz zum sanften Duke brodelt in ihr jedoch mit zunehmendem Glück etwas Unheilvolles auf, eine unterschwellige Wut zum Beispiel auf die Eltern. Die zunehmend zerstörerisch wird, sei es, dass sie trotz heißer Liebe ihren Mann betrügt oder heimlich die Katzen der – insgeheim verhassten – Mutter foltert.
Spektakulär bröckelt das furiose Paradies, denn die Beiden können in ihrem exaltierten Reigen nicht mit dem reichlich hereinströmenden Geld umgehen, vergessen die Steuern, verschleudern Unsummen für Luxus. Bis hin zu einem Akt von geradezu kathartischem Aberwitz, wenn Lili beim Gelage mit Champagner und Hummer ihrem geliebten Gatten versehentlich mit der Gabe ein Auge aussticht. Zu einem echten Zerwürfnis aber trägt erst Lilis Kinderwunsch bei, dem Dukes Abneigung entgegensteht. Das führt nicht nur zu einer hässlichen Abtreibungsszene, Lili versinkt nun auch immer mehr im Alkohol- und Drogenrausch.
Bis der Niedergang endgültig unvermeidlich wird. Fern des glitzernden Haifischbeckens New York im Abseits in Florida läutet ausgerechnet die unbekannt uneheliche Tochter Dukes aus dessen Kurzzeitvergangenheit als Soldat in Kenia mit ihrem unwillkommenen Besuch das Ende ein. So sehr Lili und Duke auch einander brauchten, sie taten einander ganz und gar nicht gut, und ihre lange, schmerzliche Talfahrt mündet in ein makabres Finale.
Exaltiert, abgründig und bitter-gallig ist das Ende. Und – brillant. Irene Dische hat hier ein solch boshaftes Feuerwerk mit ebenso großartigen wie katastrophal scheiternden Protagonisten entwickelt, dass es regelrecht unter die Haut geht. Gekrönt wird der Genuss dieses literarischen Meisterwerks durch Elisabeth Plessen, bei der man spürt, mit welcher Lust und Finesse sie diese ebenso vor Sprachmagie wie fegefeuerartig flammender Prosa kongenial ins Deutsche übertragen hat.

# Irene Dische: Schwarz und Weiß (aus dem Amerikanischen von Elisabeth Plessen); 489 Seiten; Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg; € 26


WOLFGANG A. NIEMANN (wan/JULIUS)

Dieses Buch bei Amazon.de bestellen. 


Kennziffer: BEL 1290 - © Wolfgang A. Niemann - www.Buchrezensionen-Online.de